VVG § 19 Abs. 4 § 194 Abs. 1 S. 3
Leitsatz
1. Ist aus dem verwendeten Antragsformular klar erkennbar, dass es sich um Fragen des VR handelt, so ist es unerheblich, dass das Formular von einem Versicherungsvermittler verwendet worden ist.
2. Ein rückwirkender Risikoausschluss kann auch bei lediglich fahrlässig falscher Beantwortung von Gesundheitsfragen und bei Unterlassen einer Belehrung über das Kündigungsrecht wirksam erfolgen.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Frankfurt, Urt. v. 17.9.2015 – 12 U 172/13
Sachverhalt
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines rückwirkenden Leistungsausschlusses für alle mit der Diagnose "Ureterstein" in Verbindung stehenden Behandlungen.
Die Kl. beantragte für sich über die Versicherungsagentur A am 16.12.2011 den Abschluss einer privaten Krankenversicherung bei der Bekl. Auf Seite 2 des Antrags befinden sich die Gesundheitsfragen. Oberhalb dieser Fragen befindet sich im Fettdruck eine Belehrung über die vorvertraglichen Anzeigepflichten sowie über die Rechtsfolgen einer Verletzung. Im letzten Satz des Hinweises wird auf nähere Informationen zu den Rechtsfolgen einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzungen gem. § 19 Abs. 5 VVG in der Schlusserklärung hingewiesen. Die Kl. hat eine geringe Fehlsichtigkeit angegeben und alle weiteren Fragen verneint. Die Bekl. nahm den Antrag an und übersandte der Kl. am 6.1.2012 den Versicherungsschein. Seit dem 22.2.2012 befand sich die Kl. wegen einer Erkrankung in Zusammenhang mit einem Nierenstein rechts in Behandlung. Die Kl. hatte sich 2009 wegen eines Uretersteins in Behandlung befunden.
Einen Antrag auf Kostenübernahme für einen stationären Aufenthalt (im März 2012) nahm die Bekl. zum Anlass, Rückfragen bei dem behandelnden Arzt zu stellen. Mit Schreiben vom 16.5.2012 erklärte die Bekl. gegenüber der Kl. rückwirkend einen Leistungsausschluss für alle mit der Diagnose "Ureterstein" in Verbindung stehenden Behandlungen und Untersuchungen und deren Folgen. Sie übersandte der Kl. am 21.5.2012 einen entsprechend geänderten Versicherungsschein. (…)
Die Kl. verlangt die Erstattung dieses Betrags als Behandlungskosten sowie die Feststellung des unveränderten Fortbestands des ursprünglichen Versicherungsvertragsverhältnisses. (…)
2 Aus den Gründen:
" … Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Feststellung, dass der rückwirkende Leistungsausschluss unwirksam ist und der Krankenversicherungsvertrag zu unveränderten Bedingungen fortbesteht, kann nicht getroffen werden. Als Folge besteht auch kein Anspruch der Kl. auf Zahlung i.H.v. 3.963,36 EUR, bezogen auf Rechnungen, die die ausgeschlossenen Leistungen betreffen."
1. Die Bekl. war gem. §§ 19 Abs. 4 VVG, 194 Abs. 1 S. 3 VVG berechtigt, rückwirkend eine Vertragsanpassung in Form des streitgegenständlichen Leistungsausschlusses vorzunehmen.
1) Bei den Gesundheitsfragen im Versicherungsvertrag vom 10.12.2011 handelte es sich um Fragen der Bekl. i.S.d. § 19 Abs. 1 VVG, zu deren zutreffender Beantwortung die Kl. gegenüber der Bekl. verpflichtet war. Die unrichtige Beantwortung dieser Fragen ist gem. § 19 Abs. 2–5 VVG sanktioniert. Bei dem von der Versicherungsagentur verwandten Antragsformular handelte es sich nicht um ein Standardformular der Bekl. Nach der Zielrichtung der Fragen und dem Inhalt des Antragsformulars war es aus der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen VN jedoch eindeutig, dass es sich nicht um Fragen der Versicherungsagentur, sondern um Fragen der Versicherung handelte, an denen sich der Antrag richtete (OLG Köln VersR 2013, 745).
Vorliegend erfolgte die Antragstellung ersichtlich gegenüber der als VR im Antragsformular auf Seite 1 benannten Bekl. Der gewünschte Tarif der Bekl. war exakt mit B (…) und (…) bezeichnet und es war mit Bezug auf den Tarif bereits ein konkret bestimmter Risikozuschlag (B […]) wegen der Diagnose “Übergewicht‘ genannt.
Als Einleitung der im Antrag aufgenommenen Gesundheitsfragen war in Fettdruck folgender Hinweis vorangestellt:
“Die Gesundheitsfragen des VR sind nach bestem Wissen sorgfältig, vollständig und richtig zu beantworten. Eine Verletzung ihrer vorvertraglichen Anzeigepflicht kann den VR zum Rücktritt oder zur Kündigung berechtigen oder zu einer Vertragsanpassung führen, was die Leistungsfreiheit des VR (auch für bereits eingetretene Versicherungsfälle) zur Folge haben kann. Bitte betrachten Sie hierzu die Ausführungen zur Bedeutung der vorvertraglichen Anzeigepflicht gem. § 19 Abs. 5 VVG in der Schlusserklärung.‘
Die nachfolgenden Fragen waren damit ausdrücklich als Fragen des VR bezeichnet. Insgesamt verdeutlichte dieser Hinweis mit der Bezugnahme auf die Schlusserklärung, dass die Gesundheitsfragen als vom gewählten VR gestellt gelten sollten. In der Schlusserklärung wurde im Rahmen der Belehrung nach § 19 Abs. 5 VVG nochmals darauf hingewiesen, dass die beiliegenden Fragen ordnungsgemäß beantwortet werden müssen, damit der jeweilige VR den Versicherungsantrag ordnungsgemäß prüfen kann. Die künftige VN konnte vernünftigerweise nicht daran zweifeln, dass die Fragen in erster Linie f...