" … 1. Zu Recht ist das AG allerdings zunächst davon ausgegangen, dass sich der Unfall beim Betrieb des Beklagtenfahrzeugs i.S.d. § 71 StVG ereignet hat. Soweit es hierzu in tatsächlicher Hinsicht festgestellt hat, dass die Zeugin Y die auf dem linken Fahrstreifen der Autobahn liegende Reifenkarkasse des Beklagtenfahrzeugs überfahren und in der Folge die Kontrolle über ihr Fahrzeug verloren habe, ist diese Feststellung nachvollziehbar und wird auch in der Berufung nicht substantiiert in Zweifel gezogen. Hiervon ausgehend ist der Unfallschaden dem Betrieb des Beklagtenfahrzeugs zuzurechnen."
In der höchstrichterlichen Rspr. ist anerkannt, dass ein Schaden bereits dann “bei dem Betrieb’ eines Kfz entstanden ist, wenn sich von einem Kfz ausgehende Gefahren ausgewirkt haben, wenn sich also der Unfall als das Ergebnis einer von seinem Betrieb typischerweise ausgehenden Gefahr darstellt (vgl. BGH NJW 1988, 2802 = DAR 1988, 269 = NJW-RR 1988, 1432 L; NJW 2005, 2081 = VersR 2005, 992, jeweils m.w.N.). Eine Reifenkarkasse, die sich während der Fahrt vom Fährzeug löst und zum Hindernis für den nachfolgenden Verkehr wird, stellt sich aber als eine solche typische von einem Kfz ausgehende Gefahr dar.
2. Zutreffend hat der Erstrichter weiter festgestellt, dass der Unfall weder für die Zweit- und Drittbekl. noch die Zeugin Y unabwendbar gewesen ist.
a) Die Bekl. zu 2) und 3) können sich nicht auf die Unabwendbarkeit des Unfalls berufen. Nach § 17 Abs. 3 S. 1 StVG ist der Nachweis der Unabwendbarkeit ausgeschlossen, wenn der Unfall auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Beklagtenfahrzeugs beruht. Davon ist hier auszugehen. Denn es lässt sich nicht widerlegen, dass das Lösen der Karkasse auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Reifens und damit des Fahrzeugs beruht (vgl. OLG Zweibrücken SP 1994, 241; OLG Saarbrücken OLG-Report 2005, 524 = BeckRS 2005, 30353878; OLG Celle OLG-Report 2007, 854 = BeckRS 2008, 00055). Auf die Frage, ob ein Fehler am Reifen des Beklagtenfahrzeugs vor Fahrtantritt bei einer ordnungsgemäßen Abfahrtskontrolle hätte entdeckt werden können, kommt es deshalb in diesem Zusammenhang nicht an (vgl. OLG Celle OLG-Report 2007, 854 = BeckRS 2008, 00055).
b) Der Unfall war aber auch für die Zeugin Y als Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs nicht unabwendbar. Unabwendbar ist ein Ereignis, wenn es auch durch äußerste Sorgfalt – gemessen an den Anforderungen eines Idealfahrers – nicht abgewendet werden kann (stellvertretend für alle: Hentschel/König/Dauer, StraßenverkehrsR, 42. Aufl., § 17 StVG Rn 22 m.w.N.). Die Zeugin Y hat insoweit bekundet, bei Erkennen des auf dem Standstreifen stehenden Beklagtenfahrzeugs den Fuß vom Gas genommen und auf die Überholspur gewechselt zu haben. Das wird den Anforderungen an einen Idealfahrer nicht gerecht. Ein Idealfahrer an Stelle der Zeugin hätte sein Fahrzeug vielmehr sofort nach Erkennen des Beklagtenfahrzeugs bis zu einer solchen Geschwindigkeit abgebremst, dass er auch vorhergesehene Hindernisse hätte rechtzeitig erkennen und unfallvermeidend reagieren können. Dies gilt insb., weil – wie das AG zutreffend und insoweit unangegriffen festgestellt hat – am Beklagtenfahrzeug die Warnblinkleuchte und die Rundumleuchte eingeschaltet waren, mithin erkennbar eine Unfallsituation vorlag (vgl. OLG Brandenburg SP 2011, 102 = BeckRS 2010, 17183; a.A. LG Bielefeld NZV 1991, 235). Im Hinblick darauf hätte ein Idealfahrer auch einen Fahrstreifenwechsel unterlassen, da eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer unter diesen Umständen nicht auszuschließen war (vgl. auch OLG Brandenburg SP 2008, 100 = BeckRS 2008, 21106).
3. Allerdings wendet die Berufung zu Recht ein, dass die Haftung des Bekl. zu 1) für den Unfallschaden ausgeschlossen ist, weil der Bekl. zu 1) den Entlastungsnachweis gem. § 18 Abs. 1 S. 2 StVG erbracht hat.
a) Der Bekl. zu 1) hat nicht gegen § 23 Abs. 2 S. 2 StVO verstoßen. Danach hat der Fahrzeugführer dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug vorschriftsmäßig, insb. verkehrssicher ist. Der Fahrzeugführer muss sich insoweit vor Antritt der Fahrt im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren von der Vorschriftsmäßigkeit und Verkehrssicherheit des Fahrzeugs überzeugen. Verantwortlich ist der Fahrer für alle Fahrzeugmängel, die er kennt oder bei zumutbarer Aufmerksamkeit kennen müsste (statt aller: Hentschel/König/Dauer, § 23 StVO Rn 16 m.w.N.). Dem ist der Bekl. zu 1) gerecht geworden.
aa) Zwar lässt sich – wie gezeigt – nicht ausschließen, dass das Lösen der Karkasse auf einem Mangel des Reifens beruhte. Allerdings geht dies nicht zu Lasten des Bekl. zu 1). Denn es ist anerkannt, dass ein Fahrzeugführer hinsichtlich der Funktionsfähigkeit der Bereifung lediglich zu einer Sichtkontrolle vor Fahrtantritt verpflichtet ist (vgl. OLG Koblenz VRS 68, 32, 33; OLG Hamm VRS 84, 182, 189; OLG Stuttgart OLG-Report 2001, 5; OLG Frankfurt a.M. NZV 1999, 420 = VersR 2000, 1166).
Dem ist der Bekl. zu 1) nach Überzeugung der Kammer nachgekommen. Der Bekl. zu 3) hat bereits erstinstanzlich bekun...