Die Vertretung mehrerer Mandanten in derselben Rechtssache ist nicht die Ausnahme, sondern der Normalfall. Dies ergibt sich bereits aus der gesetzlichen Regelung der Anwaltsgebühren in § 7 RVG. Wenn im Unfallprozess Fahrer, Halter und Versicherer sich von unterschiedlichen Rechtsanwälten vertreten lassen, gilt dies als Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht mit der Folge, dass die durch die Beauftragung mehrerer Rechtsanwälte entstehenden Kosten nicht als erstattungsfähig anzusehen sind.
Unzulässig ist lediglich die Mehrfachvertretung bei widerstreitenden Interessen.
I. Identität der Rechtssache
Das Tatbestandsmerkmal "dieselbe Rechtssache" ist sehr weit auszulegen. "Dieselbe Rechtssache" ist jeder Sachverhalt, der zwischen mehreren Beteiligten – auch mit möglicherweise entgegenstehenden rechtlichen Interessen – nach Rechtsgrundsätzen behandelt und erledigt werden soll. Auch eine Teilidentität des Sachverhalts reicht aus. Es kann daher keinen Zweifeln unterliegen, dass die Vertretung mehrerer Unfallbeteiligter aus demselben Unfall "dieselbe Rechtssache" bedeutet.
II. Widerstreitende Interessen
Von einem widerstreitenden Interesse kann dann gesprochen werden, wenn mehrere Interessen sich in ihrer Unvereinbarkeit, Widersprüchlichkeit und Gegensätzlichkeit gegenüberstehen. Ein Widerstreit liegt immer dann vor, wenn die Durchsetzung des einen Interesses zu einem Nachteil des anderen führt. Potenzielle oder künftige Interessenkonflikte führen noch nicht zu einem Tätigkeitsverbot. Wäre dies der Fall, könnte eine Vertretung von Gesamtschuldnern und Gesamtgläubigern kaum noch erfolgen, da nicht auszuschließen ist, dass bei Teilerfolgen die Gesamtschuldner/Gesamtgläubiger unterschiedliche Quoten verlangen. Auch hierzu hat der BGH in seiner Entscheidung vom 23.4.2012 ausgeführt, dass allein die zukünftige Möglichkeit eines Interessenkonflikts gegen das Übermaßverbot verstößt und eine entsprechende Tätigkeit des beauftragten Rechtsanwalts nicht verbietet.
Aus der bisherigen Rechtsprechung und Kommentierung ergibt sich, dass es streitig ist, ob die Interessen der Mandanten objektiv oder subjektiv aus deren Sicht zu bestimmen sind. Die überwiegende Meinung geht davon aus, dass der subjektiven Bestimmung der Vorzug zu geben ist, so dass die Mandanten die Möglichkeit haben, einen Interessenkonflikt des Anwalts durch eine Beschränkung des Mandats zu vermeiden.
Ein für § 43a Abs. 4 BRAO relevanter Konflikt setzt daher voraus, dass der Rechtsanwalt tatsächlich widerstreitende Interessen vertritt.
III. Volenti non fit iniuria?
Ein objektiver und präsenter Interessenkonflikt gem. § 43a Abs. 4 BRAO widerspricht dem Interesse der Rechtspflege und stört das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtspflege. Das Verbot, widerstreitende Interessen wahrzunehmen, ist nicht disponibel, es unterliegt somit nicht der Weisungsbefugnis des Mandanten. Soweit daher bei der Vertretung mehrerer Mandanten ein Interessenkonflikt vorhanden ist, darf der beauftragte Rechtsanwalt mehrere Mandanten auch dann nicht vertreten, wenn diese mit der Mehrfachvertretung trotz des Interessenkonflikts einverstanden sind.
IV. Vertretung durch Sozien
Gemäß § 3 Abs. 2 S. 1 BORA gilt das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten, für alle Sozien des beauftragten Rechtsanwalts oder anderweitig mit ihm verbundene Berufsangehörige. § 3 Abs. 2 S. 2 BORA enthält eine Ausnahmeregelung dahingehend, dass widerstreitende Interessen von Sozien vertreten werden dürfen, "wenn sich im Einzelfall die betroffenen Mandanten in den widerstreitenden Mandaten nach umfassender Information mit der Vertretung ausdrücklich einverstanden erklärt haben und Belange der Rechtspflege nicht entgegenstehen".
Es ist bereits zweifelhaft, ob diese Regelung von der Satzungskompetenz der Satzungsversammlung überhaupt gedeckt ist, da sie möglicherweise eine inhaltliche Änderung von § 43a Abs. 4 BRAO beinhaltet.
Sinnvollerweise geschieht die getrennte Vertretung durch die Verwendung von Einzelbriefbögen der Sozien. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass es mit Art. 12 Abs. 2 GG nicht vereinbart ist, § 146 StPO den Sinn beizulegen, dass die Verteidigung mehrerer Beschuldigter durch Rechtsanwälte einer Sozietät verboten sei, wenn jeder der Rechtsanwälte einen anderen Beschuldigten verteidigt.
Bei der Verteidigung mehrerer Angeklagter durch verschiedene Mitglieder einer Sozietät kann die Verteidigungsstrategie höchst unterschiedlich sein, so dass erst recht die Vertretung mehrerer Unfallbeteiligter bei übereinstimmender Sachv...