In Art. 7 Abs. 1b der Zweiten Führerschein-Richtlinie wie auch inhaltlich gleichlautend in Art. 7 Abs. 1e der Dritten Führerschein-Richtlinie ist festgelegt, dass Voraussetzung für die Erteilung einer Fahrerlaubnis durch einen Mitgliedstaat der ordentliche Wohnsitz des Bewerbers in diesem Staat ist. Der ordentliche Wohnsitz in diesem Sinn ist in Art. 9 Abs. 1 der Zweiten Führerschein-Richtlinie wie gleichlautend in Art. 12 der Dritten Führerschein-Richtlinie dahingehend bestimmt, dass der Fahrerlaubnisinhaber an mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr dort wohnt, d.h. den Schwerpunkt seiner persönlichen (sowie u.U. auch seiner beruflichen) Bindungen dort hat bzw. dorthin verlegt. Daher kann es nur einen ordentlichen Wohnsitz geben.
Der EuGH hat in mehreren Entscheidungen betont, dass ein Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip zur Ungültigkeit einer von einem Mitgliedsstaat erteilen Fahrerlaubnis mit Wirkung für die Vergangenheit führt. Das gilt auch dann, wenn zuvor keine führerscheinrechtliche Maßnahme getroffen worden ist, die zu einer Einschränkung, Aussetzung, Aufhebung oder einem Entzug der Fahrerlaubnis in einem anderen Mitgliedstaat geführt hat. Denn ohne die Einhaltung des Wohnsitzprinzips sei es dem ausstellenden Staat nicht möglich, die Voraussetzungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis zu prüfen. Diese Grundsätze gelten auch bei Anwendung der Dritten Führerschein-Richtlinie. Auch wenn das Wohnsitzprinzip noch nicht in das nationale Recht des Ausstellerstaats umgesetzt war, ist es für die Gültigkeit einer Fahrerlaubnis in einem anderen Mitgliedstaat zu beachten.
Dabei wird dieses Prinzip sehr streng angewendet, da sich die Fehlerhaftigkeit bei einer Erweiterung oder einem Umtausch fortsetzt: Wurde zunächst eine Fahrerlaubnis der Klasse B in einem Mitgliedstaat der EU unter Wohnsitzverstoß erteilt und später dort eine solche der Klasse C ohne Wohnsitzverstoß, muss auch die Fahrerlaubnis der Klasse C nicht anerkannt werden, da die Klasse C auf der Klasse B aufbaut. Wird eine unter Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip in einem EU-Mitgliedstaat erteilte Fahrerlaubnis in einem anderen EU-Mitgliedstaat in eine gleichwertige Fahrerlaubnis umgetauscht, so führt der ursprüngliche Wohnsitzverstoß auch zur Ungültigkeit der aktuellen weiteren Fahrerlaubnis.
Ein Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip darf nach der Rechtsprechung des EuGH nur aus dem Führerschein selbst oder anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen abgeleitet werden. Eigene Angaben des Führerscheininhabers gegenüber Behörden oder Gerichten dürfen nicht verwertet werden, selbst wenn darin ein Wohnsitzverstoß eingeräumt wird.
Aus dem Führerschein selbst folgt ein Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip, wenn dort (in Feld 8) ein Wohnsitz eingedruckt ist, der nicht im Ausstellerstaat gelegen ist. Vom Ausstellermitgliedstaat herrührende Informationen sind etwa Auskünfte des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit sowie aller Behörden des Ausstellerstaats (z.B. Melderegister oder Ausländerbehörden).
Unbestreitbar sind die Informationen, wenn sie von einer Behörde des Ausstellermitgliedstaats stammen und das Fehlen eines Wohnsitzes so sehr wahrscheinlich ist, dass kein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt.
Die Behörden und Gerichte des späteren Aufenthaltsstaats dürfen bei den Behörden des Ausstellerstaats Auskünfte hinsichtlich der Umstände der Einhaltung des Wohnsitzprinzips einholen. Das darf aber nicht "ins Blaue hinein" erfolgen, sondern hängt mit Blick auf den gemeinschaftsrechtlichen Anerkennungsgrundsatz davon ab, dass ernstliche Zweifel an der Einhaltung dieses Prinzips bestehen. Die Behörden und Gerichte des Aufnahmemitgliedstaats sind zu entsprechender Aufklärung nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet. Die vom Ausstellerstaat herrührenden Informationen stellen den Rahmen dar, innerhalb dessen die Gerichte des Aufnahmemitgliedstaats alle Umstände eines anhängigen Verfahrens berücksichtigen dürfen. Dabei kann sich die Reichweite der Ermittlungen auch an der Mitwirkung des Führerscheininhabers ausrichten.
Ist eine Fahrerlaubnis unter Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip erteilt worden, ist diese von Anfang an ungültig, ohne dass es eines die Ungültigkeit konstitutiv begründenden Bescheids der Behörden des Aufenthaltsstaats bedarf. Das Bundesverwaltungsgericht eröffnet den nationalen Fahrerlaubnisbehörden aufgrund der von Anfang an bestehenden Ungültigkeit in den Fällen des Wohnsitzverstoßes die Möglichkeit, Eignungszweifeln nach nationalem Recht umfassend nachzugehen und auch unter diesem Gesichtspunkt die Anerkennung der Fahrerlaubnis abzulehnen.