Nach dem Wortlaut von Abs. 1 Nr. 3 der Anm. zu Nr. 4141 VV RVG entsteht die zusätzliche Gebühr, wenn sich das gerichtliche Verfahren durch Rücknahme des Einspruchs gegen den Strafbefehl erledigt und durch die anwaltliche Mitwirkung des Verteidigers die Hauptverhandlung entbehrlich wird. Die Gesetzesfassung spricht somit gegen den Anfall der zusätzlichen Gebühr für den hier vorliegenden Sachverhalt, dass kein Einspruch eingelegt worden ist. Das OLG Nürnberg RVGreport 2009, 464 hatte eine entsprechende Anwendung von Abs. 1 Nr. 3 der Anm. zu Nr. 4141 VV RVG auf die auch hier vorliegende Fallgestaltung abgelehnt, das AG Hamburg-St. Georg hat eine analoge Anwendung erst gar nicht erwogen. Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift ist angesichts der vom Gesetzgeber vorgenommenen Einzelfallregelung nicht ganz unproblematisch (gegen eine entsprechende Anwendung in anderen Fällen auch OLG Köln RVGreport 2008, 428 (Burhoff) und OLG Frankfurt RVGreport 2008, 428 (ders.); für eine Analogie AG Köln RVGreport 2008, 226 (ders.); N. Schneider AnwBl. 2006, 274 und NJW-Spezial 2008, 251). Für eine ähnliche Fallgestaltung ist der BGH (RVGreport 2011, 182 (Burhoff) = AGS 2011, 128 m. Anm. N. Schneider = zfs 2011, 285 m. Anm. Hansens) allerdings vom Anfall der zusätzlichen Gebühr nach Nr. 5115 VV RVG ausgegangen, nämlich dann, wenn der Rechtsanwalt seinem Mandanten rät, zu einem erhobenen Vorwurf zu schweigen und der Anwalt dies der Verwaltungsbehörde mitteilt, die das Bußgeldverfahren daraufhin einstellt.
Will der Verteidiger in einer vergleichbaren Situation – wie sie dem Urteil des AG Hamburg-St. Georg zugrunde lag – Streit um den Anfall der zusätzlichen Gebühr nach Abs. 1 Nr. 3 der Anm. zu Nr. 4141 VV RVG von Anfang an vermeiden, bleibt ihm nur die Möglichkeit, für den Mandanten Einspruch gegen den Strafbefehl einzulegen und diesen dann nach entsprechender Beratung des Mandanten – ggf. unter Beachtung der in der Vorschrift erwähnten Fristen – wieder zurückzunehmen. Eine solche Vorgehensweise entspricht allerdings nicht so recht dem eigentlich mit der Einführung der Vorschriften Nr. 4114 und 5115 VV RVG verfolgten Ziel der Verfahrensbeschleunigung und -vereinfachung. Rechtsmissbräuchlich ist solch ein Vorgehen nicht, denn der Rechtsanwalt wird die durch die Einlegung des Einspruchs gewonnene Zeit benötigen, um in aller Ruhe prüfen zu können, ob das Verfahren tatsächlich weiter fortgeführt oder der Strafbefehl rechtskräftig werden soll.
VorsRiLG a.D. Heinz Hansens
zfs 4/2015, S. 228 - 229