MB/KT § 4 Abs. 4
Leitsatz
1. Für eine mögliche Anpassung der Höhe des Krankentagegeldes und des Beitrags beim Absinken des durchschnittlichen Nettoeinkommens unter den der Erstbemessung des Krankentagegeldes zugrunde gelegten Betrag einseitig durch den VR ist von vornherein kein Raum, wenn beim Vertragsschluss kein bestimmtes Nettoeinkommen zugrunde gelegt worden ist.
2. Die einseitige Anpassung von Krankentagegeld und Beitrag im Falle des Absinkens des durchschnittlichen Nettoeinkommens unter den der Erstbemessung des Krankentagegeldes zugrunde gelegten Betrag durch den VR unter Berufung auf § 4 Abs. 4 MB/KT ist unwirksam, weil die Regelungen in § 4 Abs. 4 auch i.V.m. § 2 Abs. 2 MB/KT einer AGB-rechtlichen Kontrolle nicht standhalten.
OLG Karlsruhe, Urt. v. 23.12.2014 – 9a U 15/14
Sachverhalt
Die Parteien sind u.a. durch eine Krankentagegeldversicherung verbunden und streiten über die Berechtigung der Bekl., einseitig die Höhe des Krankentagegeldes herabzusetzen. Der Kl. begehrt die Feststellung, dass der Krankentagegeldanspruch in der zunächst vereinbarten Höhe von 100 EUR pro Tag weiter bestehe.
2 Aus den Gründen:
" … Sie hat auch in der Sache Erfolg. Das angefochtene Urteil ist abzuändern. Die einseitige Herabsetzung des Krankentagegeldes auf 62 EUR pro Tag durch die Bekl. ist ohne vertragliche Grundlage erfolgt und damit unwirksam. …"
2. Eine mögliche Anpassung der Höhe des Krankentagegeldes scheitert nicht bereits daran, dass beim Vertragsschluss kein bestimmtes Nettoeinkommen zugrunde gelegt worden wäre (vgl. OLG Saarbrücken zfs 2002, 445 … ). Die Bekl., die die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 MB/KT – und damit auch für das zunächst zugrunde gelegte und später veränderte Nettoeinkommen – trägt (s. OLG Saarbrücken zfs 2002, 445), hat nachgewiesen, dass die von den Parteien zunächst vereinbarte Tagesgeldhöhe auf Grundlage des Nettoeinkommens gebildet wurde.
Nach Einvernahme der Zeugin S ist der Senat davon überzeugt, dass der Ansatz des Tagegeldes mit 100 EUR auf den Angaben des Kl. zu seinen Nettoeinkünften beruht. (wird ausgeführt)
3. Die einseitige Anpassung von Krankentagegeld und Beitrag durch die Bekl. ist jedoch deshalb unwirksam, weil die Regelungen in § 4 Abs. 4 i.V.m. § 2 Abs. 2 MB/KT einer AGB-rechtlichen Kontrolle nicht standhalten.
AVB sind AGB gleichstehend und unterliegen der AGB-Kontrolle (BGH VersR 2013, 1397). Für die Beurteilung ihrer Wirksamkeit sind AVB so auszulegen, wie ein durchschnittlicher VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an. Die AVB sind aus sich heraus zu interpretieren. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den VN erkennbar sind (BGH VersR 2014, 625, 627; st. Rspr.). Wenn nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel bleibt und mindestens zwei Auslegungen rechtlich vertretbar sind, ist von der Auslegung auszugehen, die zur Unwirksamkeit der Klausel führt … , weil die kundenfeindlichste Auslegung in diesem Falle in Wahrheit die dem VN günstigste Auslegung ist, § 305c Abs. 2 BGB.
a. Die tatsächlichen Voraussetzungen der Einbeziehung des Bedingungswerkes der Bekl. in den Vertrag sind unstreitig. Die Einbeziehung von § 4 Abs. 4 MB/KT scheitert auch nicht daran, dass die Klausel ungewöhnlich und überraschend i.S.v. § 305c Abs. 1 BGB wäre (s. OLG München r+s 2012, 607 … ). Es handelt sich bei Regelungen, die die Möglichkeit eröffnen, ein Dauerschuldverhältnis an neue tatsächliche Umstände anzupassen, nicht um ungewöhnliche Klauseln, denen ein Überraschungsmoment innewohnt, weil eine solche Regelung üblich ist, um bei langfristigen Verträgen die Interessen beider Parteien zu wahren. Auch die Stellung der Regelung im Bedingungswerk der Bekl. unter dem Titel “Umfang der Leistungspflicht‘ ist nicht zu beanstanden.
b. Die Inhaltskontrolle führt zur Unwirksamkeit der Vorschriften. § 4 Abs. 4 MB/KT benachteiligt den Kl. entgegen des Gebotes von Treu und Glauben unangemessen i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.
aa. § 4 Abs. 4 MB/KT gestattet es dem VR, seine Leistung einseitig für die Zukunft herabzusetzen, unabhängig davon, ob der Versicherungsfall bereits eingetreten ist oder nicht. Voraussetzung dieser Leistungsbeschränkung ist, dass das Nettoeinkommen des Versicherten unter die Höhe des dem Vertrag zugrunde gelegten Einkommens gesunken ist. Die Herabsetzung von Krankentagegeld und Beitrag erfolgt dann entsprechend dem geminderten Nettoeinkommen. Damit wird dem VR ein Entschließungsermessen eingeräumt, ob er seinen Leistungsumfang für die Zukunft entsprechend mindern will oder nicht. Das benachteiligt den VN, der sich nicht auf einen Fortbestand des Vertrags, so wie er ursprün...