BGB § 263; GVG § 132 Abs. 3 und 4
Leitsatz
1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 BGB) sind weder die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten noch die des Schädigers zu berücksichtigen.
2. Der Senat fragt bei dem Großen Senat für Zivilsachen und den anderen Strafsenaten des BGH an, ob an entgegenstehender Rspr. festgehalten wird.
BGH, Vorlagebeschl. v. 8.10.2014 – 2 StR 137/14, 2 StR 337/14
Sachverhalt
Im Rahmen von Strafverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern, wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen und einem weiteren Fall sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in drei Fällen waren die Angekl. im Rahmen von Adhäsionsverfahren jeweils zur Zahlung von Schmerzensgeld von 12.000 EUR und 5.000 EUR verurteilt worden.
Das LG hatte bei der Bemessung des Schmerzensgeldes jeweils auf die Tatumstände und die Folgen der Tat abgestellt. In dem von dem BGH zu beurteilenden Verfahren vor dem LG hatte dieses in seinem Urteil die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angekl. nicht berücksichtigt, in dem zweiten in der Revision zu prüfenden Urteil berücksichtigte das LG neben den Folgen der Taten für die Geschädigte ausdrücklich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angekl. und ohne nähere Ausführungen hierzu die der Geschädigten.
In beiden Fällen wurde die Revision der Angekl. als unbegründet verworfen, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch richtete, die Entscheidung über den Adhäsionsausspruch zurückgestellt.
Der BGH sah aufgrund der Rechtsmittel der Angekl. und der Antragsschriften des Generalbundesanwalt Veranlassung dazu, die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld gem. § 253 Abs. 2 BGB zu überdenken und diese Frage im Wege des Anfrage- und Vorlageverfahrens gem. § 132 Abs. 2 und 3 GVG zu klären und hielt dies für eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung.
2 Aus den Gründen:
[10] "Der Senat ist insoweit der Ansicht, dass es entgegen der bisherigen Rspr. des BGH (nachfolgend II.) bei der Bemessung der Entschädigung nicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten und des Schädigers ankommen darf (nachfolgend III.). Er hat die beiden Verfahren zur Durchführung des Anfrage- und Vorlageverfahrens verbunden, um durch die Zugrundelegung der verschiedenen Fallgestaltungen eine breitere Beurteilungsgrundlage zu schaffen. Im Verfahren 2 StR 137/14, in dem das LG die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht berücksichtigt hat, vermag der Senat auf Grundlage der bisherigen Rspr. des BGH eine Erörterungspflicht, die sich zugunsten des Angekl. auswirken könnte, nicht zu verneinen. Im Verfahren 2 StR 337/14 hat das LG dagegen die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angekl. und des Opfers ausdrücklich berücksichtigt, allerdings ohne dass erkennbar wäre, ob es ihnen anspruchserhöhende oder anspruchsmindernde Wirkung zugebilligt hat. Der Senat kann nicht ausschließen, dass auf ein niedrigeres Schmerzensgeld erkannt worden wäre, wenn das LG die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht berücksichtigt hätte."
[11] II. 1. Nach der Rspr. des RG waren bei Bemessung der billigen Entschädigung in Geld gem. § 847 BGB a.F. die persönlichen und Vermögensverhältnisse beider Teile in Betracht zu ziehen (vgl. etwa RGZ 63, 104; 76, 174; vgl. auch RGZ 136, 60). Der III. Zivilsenat des BGH entschied dagegen mit Urt. v. 29.9.1952 – III ZR 340/51, BGHZ 7, 223, dass es jedenfalls auf die Vermögensverhältnisse des Schädigers nicht ankommen dürfe. Auf Vorlage des VI. Zivilsenats (vgl. hierzu Knöpfel, AcP 155, 135 f. m.w.N.) entschied jedoch der Große Senat für Zivilsachen (Beschl. v. 6.7.1955 – GZ 1/55, BGHZ 18, 149), dass bei der Festsetzung der Entschädigung grds. alle in Betracht kommenden Umstände des Falles einschließlich der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten berücksichtigt werden dürften. Dies begründete er im Wesentlichen wie folgt: … (wird ausgeführt)
[19] 2. Vor diesem Hintergrund erachten die Zivilsenate des BGH die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten als bei Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigende Umstände (vgl. etwa Urt. v. 16.5.1961 – VI ZR 112/60, VersR 1961, 727; BGH, Urt. v. 13.1.1964 – III ZR 48/63, VersR 1964, 389; Urt. v. 25.9.1964 – VI ZR 137/63 und VI ZR 139/63, VersR 1964, 1299; Urt. v. 16.2.1993 – VI ZR 29/92, NJW 1993, 1531; vgl. auch BGH, Beschl. v. 10.1.2006 – VI ZB 26/05, NJW 2006, 1068, sowie die Parallelbeschlüsse vom selben Tag – VI ZB 27/05 und VI ZB 28/05). Dementsprechend werden die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten in der obergerichtlichen Rspr. regelmäßig, wenn auch nicht immer, im Rahmen der Schmerzensgeldbemessung erörtert (vgl. aus neuerer Zeit etwa OLG Celle, Urt. v. 28.5.2014 – 14 U 165/13, juris Rn 24; OLG München, Urt. v. 11.4.2014 – 10 U 4757/13, juris Rn 42 ff.; OLG Zweibrü...