Die Entscheidung des BGH, die trotz ihrer grundsätzlichen Bedeutung ohne amtlichen Leitsatz veröffentlicht wurde, entspricht der überwiegenden Auffassung in der Rspr. (siehe OLG Celle RVGreport 2015, 95 (Hansens); OLG Köln RVGreport 2015, 458 (ders.) = AGS 2015, 284; OLG München JurBüro 1995, 138 = AnwBl. 1995, 47; LG Düsseldorf AGS 2010, 321 mit Anm. E. Schneider). A.A. ist – soweit ersichtlich – nur das vom BGH erwähnte OLG Stuttgart (AGS 2013, 394).

I. Anwendbares Gebührenrecht

Das die erste Instanz abschließende Urt. des LG Aschaffenburg trägt das Datum vom 17.4.2013, so dass die Kl. und kurz danach ihr Vater als Zedent die gemeinsame Prozessbevollmächtigte vor dem 31.7.2013 beauftragt haben. Damit galt gem. § 60 Abs. 1 S. 1 RVG das bis zum 31.7.2013 geltende Recht. Ferner spricht einiges dafür, dass die Kl. und der Zedent den Auftrag zur Vertretung im Berufungsverfahren ihrer Anwältin ebenfalls vor dem genannten Stichtag erteilt haben.

Nach der bis zum 31.7.2013 geltenden Fassung des § 15 Abs. 2 S. 2 RVG kann der Rechtsanwalt in gerichtlichen Verfahren die Gebühren in jedem Rechtszug fordern. Das hat zur Folge, dass die gesamte Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten in demselben Rechtszug grds. eine einzige gebührenrechtliche Angelegenheit darstellt, wenn das RVG keine Ausnahmen bestimmt, was hier nicht der Fall war. Somit hätte es der vom BGH vorgenommenen Prüfung von Inhalt und Umfang des erteilten Auftrags und zum inneren Zusammenhang der anwaltlichen Leistungen nicht bedurft. Denn auch ohne Vorliegen der vom BGH herangezogenen Umstände stellte hier die Vertretung der Kl. einerseits und des Drittwiderbeklagten andererseits in jeder Instanz eine einzige gebührenrechtliche Angelegenheit dar.

Die Vorschrift des § 15 Abs. 2 S. 2 RVG ist allerdings durch das 2. KostRMoG zum 1.8.2013 aufgehoben und durch die in § 17 Nr. 1 RVG eingefügte Regelung ersetzt worden, nach der das Verfahren über ein Rechtsmittel und der vorausgegangene Rechtszug verschiedene Angelegenheiten sind. Diese Änderung erfolgte allein aus systematischen Gründen und sollte nach Auffassung des Gesetzgebers keine sachlichen Änderungen zur Folge haben. Die Neuregelung in § 17 Nr. 1 RVG ist der Sache nach jedoch etwas völlig anderes als die bisherige Regelung in § 15 Abs. 2 S. 2 RVG, weil sich diese Neuregelung nur auf das Verfahren über ein Rechtsmittel und den vorausgegangenen Rechtszug beschränkt. Durch diese völlig überflüssige Regelung weist das Gesetz nunmehr Lücken auf, die von der Rspr. zu schließen sind. Dabei dürfte es wohl auch auf die vom BGH hier erörterten Umstände (Inhalt des erteilten Auftrags, innerer Zusammenhang, einheitlicher Rahmen) ankommen.

Problematisch ist dies für die neue Rechtslage jedoch dann, wenn die vorgenannten Umstände nicht vorliegen. Beispielhaft sei hier der Fall erwähnt, dass der Kl. in demselben Rechtsstreit von dem Bekl. zu 1) Zahlung aus Kaufvertrag und von dem Bekl. zu 2) Zahlung aus Werkvertrag verlangt. Besteht zwischen den hieraus hergeleiteten Ansprüchen keinerlei Zusammenhang, so wäre der Prozessbevollmächtigte des Kl. in zwei gebührenrechtlichen Angelegenheiten tätig, obwohl er nur einen Rechtsstreit führt. Er könnte dann nach dem jeweiligen Klagebetrag die Gebühren (z.B. Verfahrensgebühr und Terminsgebühr) getrennt abrechnen. Diese Auswirkungen hat der Gesetzgeber mit der Aufhebung des § 15 Abs. 2 S. 2 RVG a.F. offensichtlich nicht bedacht. Die weggefallene Regelung sollte deshalb schleunigst wieder eingeführt werden.

II. Derselbe Gegenstand?

Die Rechtspflegerin des LG Aschaffenburg ist mit der Zubilligung der Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG erkennbar davon ausgegangen, dass der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe war, was nach Abs. 1 der Anm. zu Nr. 1008 VV RVG gesetzliche Voraussetzung der Gebührenerhöhung ist. Der BGH ist mit keinem Wort darauf eingegangen, ob diese Annahme richtig ist. Denn wären der Wert der Klage und der Widerklage zu addieren gewesen, so hätte sich hieraus ein höherer Erstattungsanspruch ergeben, was der Rechtsbeschwerde teilweise zum Erfolg verholfen hätte. Der BGH hat lediglich auf § 45 Abs. 1 S. 3 GKG verwiesen, wonach eine Addition der Werte von Klage und Widerklage nicht in Betracht kommt, wenn die Ansprüche denselben Gegenstand betreffen. Warum dies hier der Fall sein soll, hat der BGH mit keinem Wort begründet. Das OLG Köln RVGreport 2015, 458 (Hansens) = AGS 2015, 284 hat das Vorliegen desselben Gegenstandes für eine vergleichbare Fallgestaltung verneint und hat die Werte von Klage und negativer Feststellungswiderklage addiert. Der BGH hätte hier deshalb zu dieser vom OLG Köln abweichend beurteilten Frage Stellung nehmen müssen.

III. Wert der negativen Feststellungsklage

Der Streitwert der negativen (leugnenden) Feststellungsklage ist nach neuerer Auffassung des BGH (RVGreport 2015, 350 (Hansens) = AGS 2015, 521) so hoch zu bemessen wie der Anspruch, dessen sich der Gegner berühmt. Ein Feststellungsabschlag ist folglich bei der negativen Feststellungsklag...

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