RVG § 45 Abs. 1 § 46 Abs. 1 § 55 Abs. 5; VV RVG Nr. 7008; ZPO § 104 Abs. 2 S. 3

Leitsatz

Dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt steht im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach den §§ 45 ff. RVG auch dann ein Anspruch gegen die Staatskasse auf Festsetzung der Umsatzsteuer zu, wenn die von ihm vertretene Partei zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

OLG München, Beschl. v. 11.8.2016 – 11 W 1281/16

Sachverhalt

Der Kl. hatte als Insolvenzverwalter einer Gesellschaft in dem vor dem AG München geführten Rechtsstreit einen Rückgewährsanspruch wegen insolvenzrechtlicher Anfechtung i.H.v. 1.200 EUR zzgl. Zinsen geltend gemacht und vorweg die Bewilligung von PKH beantragt. Das AG München hat diesen Antrag zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Kl. hat das LG München I dem Kl. antragsgemäß PKH unter Beiordnung seiner Rechtsanwälte bewilligt. Der Rechtsstreit endete durch ein Versäumnisurteil des AG München. Die dem Kl. im Wege der Prozesskostenhilfe (PKH) beigeordneten Anwälte haben die Festsetzung der ihnen aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung wie folgt beantragt:

 
1. 1,3 Verfahrensgebühr, § 49 RVG, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 1.200 EUR)   149,50 EUR
2. 0,5 Terminsgebühr, § 49 RVG, Nr. 3105 VV RVG (Wert: 1.200 EUR)   57,50 EUR
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG   20,00 EUR
  Zwischensumme: 227,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG   43,13 EUR
  Summe:   270,13 EUR

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (UdG) hat dem Antrag lediglich in Höhe eines Betrags von 227 EUR stattgegeben und die zur Festsetzung angemeldete Umsatzsteuer i.H.v. 43,13 EUR abgesetzt. Die hiergegen gerichtete Erinnerung der Anwälte hat das AG München zurückgewiesen und die Beschwerde zugelassen. Das LG München I hat die hieraufhin von den beigeordneten Rechtsanwälten eingelegte Beschwerde ebenfalls zurückgewiesen. Dies hat das LG im Wesentlichen damit begründet, wegen der Vorsteuerabzugsberechtigung des Kl. sei die Umsatzsteuer nicht zu berücksichtigen. Die hiergegen gerichtete – vom LG zugelassene – weitere Beschwerde hatte beim OLG München Erfolg.

2 Aus den Gründen:

" … II. Die – nach ausdrücklicher Zulassung durch das LG – gem. den §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 6 RVG zulässige Beschwerde der Rechtsanwälte … hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des LG und des AG steht den beigeordneten Rechtsanwälten ein Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Umsatzsteuer aus der Staatskasse zu."

1. Für ihre Tätigkeit als Prozessbevollmächtigte des Kl. haben die beigeordneten Rechtsanwälte gegen die Staatskasse Anspruch auf eine Vergütung i.S.d. §§ 45 ff. RVG; zu dieser gehören auch die Auslagen und damit – wegen VV RVG Nr. 7008 – die Umsatzsteuer auf den Betrag der Vergütung (siehe §§ 45 Abs. 1, 46 Abs. 1 RVG).

2. Die Vorsteuerabzugsberechtigung des Kl., dem die Beschwerdeführer beigeordnet worden waren, wirkt sich auf die Höhe der Prozesskostenhilfevergütung nicht aus (Senatsbeschl. v. 3.12.2014 – 11 W 1962/14; ebenso OLG Hamburg RVGreport 2013, 348 (Hansens); Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 22. Aufl., § 46 Rn 77; AnwK-RVG/Volpert/N. Schneider, RVG, 7. Aufl., § 55 Rn 19 und Nr. 7008 VV RVG Rn 71, 74).

a) Der prozessuale Kostenerstattungsanspruch des Kl., der aufgrund des Versäumnisurteils geltend gemacht werden kann, folgt aus dem Prozessrecht (§§ 91 ff., 103 ff. ZPO); dabei bedeutet die Vorsteuerabzugsberechtigung des Kl., dass er von dem unterlegenen Bekl. die Umsatzsteuer nicht fordern kann, weil er sie vom Finanzamt erstattet erhält, sie also für ihn ein “durchlaufender Posten' ist (vgl. BGH RVGreport 2006, 392 (Hansens) = AGS 2007, 628). Dies hätte nach der Entscheidung des BGH – letztlich selbstverständlich – auch für die PKH-Anwälte des Kl. gegolten, wenn diese von ihrem Beitreibungsrecht i.S.v. § 126 ZPO Gebrauch gemacht und den Kostenerstattungsanspruch ihrer Partei – wenngleich im eigenen Namen – gegen den Bekl. als Prozessgegner geltend gemacht hätten; § 126 ZPO ändert nichts daran, dass ein der Partei zustehender Kostenerstattungsanspruch geltend gemacht wird.

b) Hiervon zu unterscheiden ist allerdings die Rechtsbeziehung zwischen dem PKH-Anwalt und seiner Partei:

1) Der anwaltliche Gebührenanspruch ergibt sich aus § 675 BGB i.V.m. den Vorschriften des RVG und hat mit dem prozessualen Kostenerstattungsanspruch des Kl. gegen den Bekl. zunächst einmal nichts zu tun.

2) Dementsprechend folgt aus der Vorsteuerabzugsberechtigung des Kl. – in diesem Verhältnis – auch nicht etwa die Berechtigung, die Umsatzsteuer nicht zu bezahlen. Vielmehr schuldet der Kl. die Umsatzsteuer und kann sie vom Finanzamt erstattet verlangen (BGH, a.a.O.). Nicht ersichtlich ist deshalb, wieso die Staatskasse diese Umsatzsteuer nicht ebenso zu vergüten hätte:

Der PKH-Anwalt würde diese Steuer von einer nicht bedürftigen (vorsteuerabzugsberechtigten) Partei erhalten, soll hierauf aber bei Bedürftigkeit der Partei keinen Anspruch haben, weil Schuldner dann die Staatskasse ist – und dies, obwohl die gesetzlichen Gebühren des PKH-Anwaltes wegen § 49 RVG ohnehin bereits geringer sind als ...

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