a) Materiell-rechtliche Risikozuweisung – das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung

Nach dem Inhalt des Versicherungsvertrags ist davon auszugehen, dass die Vertragsparteien den versicherten Entwendungsfall schon dann als erwiesen ansehen wollen, wenn Tatsachen feststehen, die nach ihrem äußeren Bild mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine Wegnahme gegen den Willen des Versicherungsnehmers schließen lassen.[7] Denn der Versicherungsnehmer wollte sich gerade auch gegen das Entwendungsrisiko versichern, was für den Versicherer bei Vertragsschluss auch erkennbar war.[8] Der Versicherungsnehmer genügt daher seiner Beweislast schon dann, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung darlegt und beweist. Er muss dazu ein Mindestmaß an Tatsachen vortragen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluss auf eine Entwendung zulassen.[9] Das Mindestmaß ist in der Regel erfüllt, wenn er vier Tatsachen beweist, nämlich dass

er oder eine Person, der das Fahrzeug zum Gebrauch überlassen wurde,
das Fahrzeug an einem bestimmten Ort
zu einer bestimmten Zeit abgestellt und später
dort nicht mehr vorgefunden hat.[10]

Das sind die vier hinreichenden, aber auch notwendigen Bedingungen für die Annahme des Vorliegens des äußeren Bildes einer bedingungsgemäßen Entwendung.[11] Eine Anscheinsbeweissituation, aus der auf die Tatbestandsbestandteile des äußeren Bildes oder sogar auf das Vorliegen des Entwendungstatbestandes selbst geschlossen werden könnte, fehlt mangels eines typischen Entwendungstatbestandes.[12]

Die Form der Beweiserleichterung ist auch außerhalb des Bereichs des Anscheinsbeweises als eine von den Parteien des Versicherungsvertrags nach ihrer Interessenlage gewollte, dem Vertrag innewohnende Verschiebung des Eintrittsrisikos und damit als materiell-rechtliche Risikozuweisung zu verstehen. Sie hängt nicht von der Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers ab, weil auch einem unglaubwürdigen Versicherungsnehmer ein Fahrzeug gestohlen werden kann.[13] Dies führt dazu, dass bei der Bewertung im Rahmen persönlicher Anhörung des Versicherungsnehmers durch den Tatrichter Vorsicht geboten ist.

[7] Senatsurt. v. 17.5.1995 – IV ZR 279/94, BGHZ 130, 1, 3 m.w.N.
[8] Grundlegend zu der Thematik: Römer, NJW 1996, 2329.
[10] So etwa Senatsurt. v. 30.1.2002, a.a.O.
[11] Diehl, zfs 2000, 187 m.w.N.
[12] Diehl, zfs 2000, 190; Senatsurt. v. 17.2.1988 – IVa ZR 177/86, NJW-RR 1988, 789, 790.
[13] Senatsurt. v. 5.10.1983 a.a.O.; v. 22.9.1999 a.a.O. und v. 11.2.1998 – IV ZR 306, VersR 1998, 488 unter 2.

b) Vollbeweis des Versicherungsnehmers nach § 286 ZPO für die Minimaltatsachen

aa) Grundzüge

Von der materiell-rechtlichen Risikozuweisung zu unterscheiden ist die Frage, ob der Versicherungsnehmer die zum äußeren Bild gehörenden genannten vier Minimaltatsachen bewiesen hat. Dafür ist der nach allgemeinen Grundsätzen des Zivilprozesses zu führende Vollbeweis erforderlich.[14] Nicht ausreichend ist die Anzeige des Diebstahls bei der Polizei.[15] Hat der Versicherungsnehmer den Beweis des äußeren Bildes einer Entwendung durch glaubhafte Zeugenaussagen und glaubwürdige Zeugen geführt, hat er den ihm obliegenden Beweis einer bedingungsgemäßen Entwendung erbracht. Zweifel an seiner eigenen Glaubwürdigkeit sind dann erst bei der Frage von Bedeutung, ob der Versicherer Tatsachen bewiesen hat, die eine erhebliche Wahrscheinlichkeit der Vortäuschung des Versicherungsfalls nahelegen.[16] Kann der Versicherungsnehmer den Beweis für das äußere Erscheinungsbild eines Versicherungsfalls jedoch nicht mit den in der Zivilprozessordnung vorgesehenen Beweismitteln führen, können schwerwiegende Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit schon auf der Ebene des äußeren Bildes Bedeutung erlangen.

bb) Die Anhörung des Versicherungsnehmers

Der Tatrichter kann den Behauptungen des Versicherungsnehmers im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 286 ZPO u.U. auch dann glauben, wenn dieser ihre Richtigkeit sonst nicht beweisen kann. Voraussetzung dafür aber ist, dass der Versicherungsnehmer glaubwürdig ist.[17] Dabei ist zugrunde zu legen, dass nicht der unredliche, sondern der redliche Versicherungsnehmer der Regelfall ist. Von diesem Grundsatz kann aber nicht mehr ausgegangen werden, wenn konkrete Tatsachen vorliegen, die ihn unglaubwürdig erscheinen lassen oder sich schwerwiegende Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit und an der Richtigkeit der von ihm aufgestellten Behauptung einer Entwendung aufdrängen. Solche Tatsachen müssen feststehen, d.h. sie müssen unstreitig oder bewiesen sein. Bloße Verdachtsmomente reichen hingegen nicht aus.[18] Denn es geht ausschließlich um die Frage, ob dem Versicherungsnehmer als einer redlichen Persönlichkeit die gegebene Sachdarstellung geglaubt werden kann, nicht hingegen um den vom Versicherer zu führenden Gegenbeweis der Vortäuschung eines Diebstahls mit erheblicher Wahrscheinlichkeit.[19] Kann der Versicherungsnehmer den Beweis nicht erbr...

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