Im Fall eines Kfz-Diebstahls kann es zu einer Leistungsverweigerung oder Leistungskürzung des Versicherers auch dann kommen, wenn das äußere Bild eines Diebstahls bewiesen und dem Versicherer der Gegenbeweis nicht gelungen ist, nämlich im Fall einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Obliegenheitsverletzung. Relevant sind hier insbesondere Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalls (E AKB 2008). Den Versicherungsnehmer trifft mit dessen Eintritt nach E.1.3 AKB 2008 eine Aufklärungspflicht, die erst mit endgültiger Deckungsablehnung endet. Er hat danach nicht nur die als feststehend angenommenen Umstände anzugeben, sondern auch Verdachtsmomente, soweit sie über bloße Spekulationen oder Vermutungen hinausgehen. Der Versicherer hat in der Kaskoversicherung, die vor allem darauf gerichtet ist, dass er die Kosten der Schadensbeseitigung zahlt, ein besonderes Interesse an der Schadensaufklärung. Dies begründet auch die besondere Anzeigepflicht nach der Entwendung des Fahrzeugs, die nicht mit der Aufklärungspflicht zu verwechseln ist (E.3.1 AKB 2008), die Pflicht des Versicherungsnehmers, Weisungen einzuholen (E.3.2 AKB 2008) und dessen Pflicht, einen Entwendungs-, Brand- und Wildschaden auch bei der Polizei anzuzeigen (E.3.3 AKB 2008). Die Pflicht des Versicherungsnehmers, die Entwendung unverzüglich in Schriftform mit eigener Unterschrift anzuzeigen, die auch bei Entwendung von Fahrzeugteilen und Fahrzeugzubehör gilt (vgl. A.2.18 AKB 2008), soll Manipulationen erschweren. Die Verletzung der Anzeigepflicht bleibt allerdings folgenlos, wenn der Versicherer auf andere Weise von der Entwendung rechtzeitig Kenntnis erhalten hat (§ 30 Abs. 2 VVG).
1. Rechtsfolgen der Obliegenheitsverletzung
Bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung wird der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei (§ 28 Abs. 2 VVG). Voraussetzung dafür ist, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer auf diese Rechtsfolge ausdrücklich und augenfällig hingewiesen hat. Im Falle grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung ist grundsätzlich nur noch eine Kürzung der Ansprüche des Versicherungsnehmers zulässig. Der Versicherer wird nicht von der Verpflichtung zur Leistung frei wegen einer Verletzung der Aufklärungsobliegenheit, wenn der Versicherungsnehmer bei der Schadensanzeige einen Umstand verschweigt, den der Versicherer bereits positiv kennt. Denn Aufklärungsobliegenheiten dienen dem Zweck, den Versicherer in die Lage zu versetzen, sachgerechte Entschlüsse zu fassen. Fehlt das entsprechende Aufklärungsbedürfnis, weil der Versicherer einen maßgeblichen Umstand kennt, so verletzen unzulängliche Angaben des Versicherungsnehmers über diesen Umstand keine schutzwürdigen Interessen des Versicherers und können deshalb die Sanktion der Leistungsfreiheit nicht rechtfertigen. Hat der Versicherer einen Vorschaden im Rahmen eines laufenden, auch für die neue Schadensmeldung maßgeblichen Versicherungsvertrags über einen bestimmten versicherten Gegenstand selbst reguliert, so kennt er diesen Vorschaden in seinen Einzelheiten. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn sich für den Versicherer lediglich anderweitige Erkenntnismöglichkeiten ergeben. Denn diese lassen – anders als ein bereits sicher erworbenes Wissen – das Aufklärungsinteresse des Versicherers nicht entfallen.
Wie bereits angemerkt, ist eine zu hohe Angabe von Fahrzeugschlüsseln generell nicht geeignet, Interessen des Versicherers zu gefährden. Denn bei zu hoher Angabe wird der Versicherer wegen des aus seiner Sicht fehlenden Schlüssels allenfalls veranlasst, die Regulierung zurückzustellen, bis der Verbleib des vermeintlich fehlenden Schlüssels geklärt ist. Im Zusammenhang mit den Schlüsseln geht das Interesse des Versicherers bei einem gemeldeten Fahrzeugdiebstahl regelmäßig dahin, alle vom Hersteller ausgelieferten und noch vorhandenen Fahrzeugschlüssel sachverständig untersuchen zu lassen, ob z.B. Kopierspuren vorhanden sind, was auf das Fertigen von Nachschlüsseln deutet und weitere Nachforschungen nach sich zieht. Für ihn ist es weiter wichtig zu prüfen, ob alle Schlüssel vorhanden sind, weil das Fehlen eines Schlüssels Hinweise darauf geben kann, dass dieser einem Dritten zur Verfügung gestellt worden ist, damit er das Fahrzeug – Vortäuschung eines Diebstahls – von seinem Standort verbringt. Ob alle Schlüssel vorhanden und ggf. einem Sachverständigen zur Untersuchung übergeben sind, kann der Versicherer aber nicht feststellen, wenn der Versicherungsnehmer ihm die Existenz eines oder mehrerer Schlüssel verschweigt. Durch die zu hohe Angabe gefährdet er dagegen allenfalls sein eigenes Interesse an einer schnellen Schadensregulierung.