[15] "… Die geltend gemachten Ansprüche stehen der Kl. weder unter dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzuges (§ 280 Abs. 1, 2, § 286 Abs. 1 BGB) noch – bezüglich der Transportkosten und des “Standgeldes' – des Annahmeverzuges (§ 304 BGB) zu. Der Bekl. ist mit der Zahlung des Kaufpreises nicht in Verzug geraten, denn die Kl. hat dem Bekl. das Fahrzeug zunächst nicht frei von Sachmängeln verschafft (§ 433 Abs. 1 S. 2 BGB), und der Bekl. war deshalb gem. § 320 Abs. 1 S. 1 BGB berechtigt, den vereinbarten Kaufpreis insgesamt bis zur mangelfreien Lieferung einzubehalten. Die Abnahme des mangelhaften Fahrzeugs (§ 433 Abs. 2 BGB) durfte der Bekl. gem. § 273 Abs. 1 BGB ebenfalls bis zur Beseitigung des Lackschadens verweigern, weshalb er auch insoweit weder in Schuldner- noch in Annahmeverzug geraten ist."
[16] 1. Rechtsfehlerfrei hat das BG der Kl. Verzugszinsen auf den Kaufpreis für den Zeitraum vom 16.7.2013 bis zum 20.10.2013 nicht zuerkannt, denn der Bekl. ist mit der Zahlung des Kaufpreises nicht in Verzug geraten. Verzug setzt gem. § 286 Abs. 1 BGB voraus, dass der Schuldner auf eine fällige und durchsetzbare (also nicht mit einer Einrede behaftete) Forderung trotz Mahnung nicht leistet. Hieran fehlt es in dem gesamten streitigen Zeitraum (16.7.2013 bis 20.10.2013).
[17] a) Bei der ersten (versuchten) Anlieferung des Fahrzeugs am 16.7.2013 bestand ein den Verzug ausschließendes Zurückbehaltungsrecht. Denn dem Bekl. stand bis zur Lieferung eines mangelfreien Fahrzeugs ein die gesamte Forderung erfassendes Leistungsverweigerungsrecht gem. § 320 Abs. 1 S. 1 BGB zu (vgl. Senatsurt. v. 20.5.2009 – VIII ZR 191/07, BGHZ 181, 170 Rn 19 m.w.N.). Nach dieser Bestimmung kann im Rahmen eines gegenseitigen Vertrags jede Vertragspartei, sofern sie nicht zur Vorleistung verpflichtet ist, die ihr obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern. Diese Gegenleistung ist nicht am 16.7.2013, sondern erst am 6.10.2013 bewirkt worden.
[18] aa) Nach § 433 Abs. 1 S. 2 BGB war die Kl. verpflichtet, die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen, das heißt, sie hatte das Fahrzeug dem Bekl. in einem einwandfrei lackierten Zustand zu übergeben, der aufgrund der vereinbarten Eigenschaft als Neuwagen geschuldet war (vgl. Senatsurt. v. 6.2.2013 – VIII ZR 374/11, NJW 2013, 1365 Rn 10). Zahlung des vereinbarten Kaufpreises konnte die Kl. mithin nur Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs in einem solchen – mangelfreien – Zustand verlangen. Das am 16.7.2013 ausgelieferte Fahrzeug war jedoch – was auch die Revision nicht in Abrede stellt – aufgrund des Lackschadens an der Fahrertür mangelhaft (§ 434 Abs. 1 S. 1 BGB).
[19] bb) Die Erfüllung des Kaufvertrags war der Kl. weiterhin (uneingeschränkt) möglich, denn der Mangel war behebbar. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung kann es in diesem Zusammenhang auf sich beruhen, ob auch die Eigenschaft als Neuwagen durch die nachträgliche Behebung des Lackschadens wieder hergestellt werden konnte (siehe Senatsurt. v. 18.6.1980 – VIII ZR 185/79, NJW 1980, 2127 unter II 2 b). Jedenfalls hat der Bekl. von vornherein Beseitigung des Mangels verlangt und – wie aus seinem nachfolgend gezeigten, insoweit maßgeblichen tatsächlichen Verhalten folgt (siehe BGH, Urt. v. 12.6.2013 – XII ZR 50/12, NJW-RR 2013, 1232 Rn 38; MüKo-BGB/ Fetzer, 7. Aufl., § 363 Rn 3 m.w.N.) – die Erfüllungstauglichkeit des am 16.10.2013 nach Schadensbeseitigung erneut angelieferten Fahrzeugs nicht in Frage gestellt, sondern hat es als Erfüllung angenommen (vgl. § 363 BGB) und den vollständigen Kaufpreis gezahlt.
[20] cc) Die von der Revision angegriffene Beurteilung des BG, die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts im Umfang der gesamten Kaufpreisforderung verstoße nicht gegen die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB; Rechtsgedanke des § 320 Abs. 2 BGB), ist frei von Rechtsfehlern.
[21] (1) Zwar kann der Käufer die Zahlung des Kaufpreises gem. § 320 Abs. 1 S. 1 BGB ausnahmsweise nicht oder nicht vollständig verweigern, wenn dies nach den Gesamtumständen, insb. wegen verhältnismäßiger Geringfügigkeit der Pflichtverletzung des Verkäufers, gegen Treu und Glauben verstößt (vgl. BGH, Urt. v. 11.12.1956 – VIII ZR 61/56, DB 1957, 88 unter 2, 3, 5; v. 27.2.1974 – VIII ZR 206/72, WM 1974, 369 unter III 2 a; v. 6.5.2009 – XII ZR 137/07, BGHZ 180, 300 Rn 14; v. 9.6.2011 – III ZR 157/10, NJW-RR 2011, 1618 Rn 11; v. 26.3.2015 – VII ZR 92/14, BGHZ 204, 346 Rn 41; siehe auch Senatsurt. v. 17.6.2015 – VIII ZR 19/14, BGHZ 206, 1 Rn 50 [zu § 320 Abs. 2 BGB]).
[22] (2) Jedoch rügt die Revision, die sich die für sie günstige Beurteilung des BG, die Pflichtverletzung der Kl. sei als geringfügig zu erachten, zu eigen macht, ohne Erfolg, das BG habe nicht berücksichtigt, dass der Lackschaden behebbar und unbedeutend gewesen sei, zumal – für den Bekl. erkennbar – nur “wenige Hundert Euro' zu seiner Beseitigung notwendig gewesen seien und die Kl. von Anfang an angeboten habe, den Schaden zu beheben. Anders al...