1) Die wohl häufigste Art des Versicherungsbetrugs zur Durchsetzung unberechtigter Schadensersatzforderungen wegen Beschädigungen durch verabredete Kollisionen von Kfz ist der gestellte Unfall. Die Einwilligung des angeblich Geschädigten in die Beschädigung lässt die Rechtswidrigkeit der Schadenszufügung entfallen.
2) Bei einem Verdacht der Unfallmanipulation durch Stellen wird die erste zu wählende Verteidigungslinie der in Anspruch genommenen Haftpflichtversicherung seines dolos handelnden VN und angeblichen Schädigers dahin gehen, das angebliche Schadensereignis, dessen Kompatibilität und Plausibilität zu erstreiten. Darlegungs- und beweispflichtig für die tatsächlichen Voraussetzungen des erstrebten Ersatzanspruchs ist der – angebliche – Geschädigte (vgl. OLG Saarbrücken NJW-RR 2012, 356 [357]). Bestehen Zweifel hinsichtlich des angegebenen Ortes der Kollision, hinsichtlich des Zueinander-Passens der Unfallspuren (fehlende Kompatibilität) und der Plausibilität des Unfallhergangs scheitert der Ersatzanspruch schon auf dieser frühen Stufe (vgl. Lemcke, in: Anwaltshandbuch, 2.Aufl., Rn 29–44).
Da das Ziel der häufig kenntnisreich agierenden Täter gestellter Unfälle dahin geht, möglichst risikolos unberechtigte Ansprüche durchzusetzen, werden sie bestrebt sein, solche anspruchsgefährdenden durch Gutacher aufzudeckenden Umstände zu meiden.
3) Der Schwerpunkt versuchter Aufdeckung der Verabredung des Stellens von Unfällen liegt ohnehin auf dem Gebiet der Indizienbeweisführung. Ausgehend von "verdächtigen Umständen", den Indizien werden diese im Wege einer Gesamtschau, in die auch entlastende Umstände einbezogen werden, zu einer Indizienkette zusammen gefasst, wenn der Beweis gelingt. Die "verdächtigen" Umstände füllen keine Normvoraussetzungen des Ersatzanspruchs aus, sondern sind lediglich Hilfstatsachen des Beweises, Indizien, die in ihrer Gesamtheit den Schluss erlauben, dass die Haupttatsache, die Verabredung der Schadenszufügung und die darin liegende Rechtfertigung der Schadenszufügung gegeben ist (vgl. BGH NJW 1991, 1894; Hansen JuS 1992, 327; Nack MDR 1986 198).
4) Beim gelungenen Indizienbeweis geht der für das Straßenverkehrsrecht zuständige VI. Zivilsenat von einem geführten Ansehensbeweis aus (vgl. BGH VersR 1979, 281). Gefolgt sind ihm zahlreiche OLG (Nachweise bei Lemcke, a.a.O., Fn 3 in Teil 1). Das weicht von der Ansicht ab, dass individuelle Willensentschlüsse nicht im Wege des Anscheinseweises mangels Typizität nachgewiesen werden können (vgl. BGH [IV Zivilsenat] VersR 1987, 503; Hansen JuS 1992, 327, 417 f.). Entscheidend für das Gelingen eines Indizienbeweises ist zunächst die Auswahl. Am Übersichtlichsten ist die von Lemcke (a.a.O., Rn 97) entwickelte Checkliste zur Feststellung der Einwilligung beim gestellten Unfall, die unter Aufgliederung nach Bereichen (Motiv, Unfallart, Hergang des Unfalls, Folgen, beteiligter Fahrzeuge, beteiligter Personen und Verhalten nach dem Unfall) die Gesamtschau und Entwicklung der Indizienkette erleichtert. Für das Verständnis der geringen Beweiswirkung des isoliert gewürdigten gibt Rn 55 der Entscheidung eine plakative Umschreibung.
5) Die Entwicklung der Gesamtschau, die im Detail von den einzusetzenden Indizien abhängt, ist in zwei Leitsätzen zu einer Entscheidung des OLG Hamm beschrieben worden (zfs 2005, 539).
a) Der Beweis der verabredeten Unfallmanipulation kann durch den Nachweis einer ungewöhnlichen Häufung von Umständen erbracht werden, die in ihrem Zusammenwirken vernünftigerweise nur den Schluss zulassen, dass der Anspruchssteller bzw. der Fahrer in die Beschädigung seines Fahrzeugs eingewilligt haben.
b) Die Gesamtschau belastender Indizien, die für die Manipulation eines angeblichen Unfalls sprechen, kann anknüpfen an eine manipulationstypische Motivationslage, an Art und Hergang des Unfalls, Persönlichkeitszüge, die für eine Verabredung sprechen und an das Verhalten der angeblich an einem Unfall Beteiligten im Rechtstreit.
6) Das Urteil des OLG Hamm (NJW-RR 2017 1368) hat ins Gedächtnis zurückgerufen, dass bei der Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen ist, dass auch gegen eine betrügerische Verabredung der Unfallmanipulation sprechende Umstände zu würdigen sind (hier ausgezeichnete Solvenz des Geschädigten).
RiOLG a.D. Heinz Diehl
zfs 4/2018, S. 195 - 201