BGB § 823 § 830; StGB § 263; ZPO § 286
Leitsatz
1) Bei der Prüfung, ob ein behaupteter Verkehrsunfall gestellt ist, muss der anspruchsstellende angebliche Geschädigte auf der ersten Darlegungs- und Beweisstufe zunächst darlegen und bei Bestreiten des Gegners nachweisen, dass der äußere behauptete Schadenshergang stattgefunden hat. Bestehen nur Zweifel an dem behaupteten Schadenshergang, insb. an der Kompatibilität der Schäden mit dem behaupteten Betriebsvorgang, ist der Anspruch schon deshalb zu verneinen. Das Gleiche gilt, wenn Zweifel daran bestehen, ob der – angebliche – Unfall an dem behaupteten Ort stattgefunden hat, mögen die Schäden auch kompatibel sein. Für den Nachweis gilt das Beweismaß des § 286 ZPO.
2) Wird die Kollision zweier Fahrzeuge im Straßenverkehr zum Zwecke des Versicherungsbetrugs herbeigeführt, scheidet ein Schadensersatzanspruch aus. Die Beweislast für eine Einwilligung des Geschädigten trägt der Schädiger bzw. bei einer Direktklage dessen Haftpflichtversicherer.
3) Ein Beweis des ersten Anscheins für die Einwilligung wird häufig daran scheitern, dass bei der Verabredung der Unfallmanipulation häufig bereits angeblich entkräftende Umstände gegen das Vorliegen einer Anscheinssituation "eingeplant" werden.
4) Eine Häufung von Indizien, die bei lebensnaher Zusammenschau und vernünftiger Gewichtung den Schluss auf ein kollusives Zusammenwirken mit der Folge des Ausschlusses der Rechtswidrigkeit erlauben, genügt für die Führung des Indizienbeweises. Dass einzelne Indizien bei isolierter Betrachtung auch als unverdächtig erscheinen können, ist wegen der gebotenen Gesamtschau der Indizien unerheblich.
5) Genügt die im Wege der Gesamtschau erstellte Indizienkette für die Bildung eines Anscheinsbeweises einer kollusiven Anrede eines gestellten Unfalls, bedarf es keines Eingehens auf weitere Betrugsindizien.
6) Unzulässige Formularbegründungen liegen vor, soweit in einer Berufungsbegründung angeführt wird, in einer Vernehmung eines Zeugen sei eine unzulässige Amtsermittlung durchgeführt worden, eine Zeugin sei zu Dingen befragt worden, die mit dem Unfall nicht zu tun haben und das Gericht habe "vollkommen abstrakte" Ausführungen des SV zum Anlass für die Befragung von Zeugen genommen.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Köln, Urt. v. 22.6.2017 – 8 U 19/16
Sachverhalt
Die Parteien streiten im Zusammenhang einer Fahrzeugkollision um die Haftung der Bekl. zu 1) als Halter des beteiligten Kfz und die Bekl. zu 2) als Haftpflichtversicherer. Streit herrschte zwischen den Parteien darüber, ob unter Beteiligung des beklagten Halters ein gestellter Unfall verabredet worden war. Das LG hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben.
Die Berufungen der Parteien blieben ohne Erfolg.
2 Aus den Gründen:
" … [31] II. 1. a) Die Berufung des Kl. bleibt ohne Erfolg."
[32] aa) Die Berufung ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage wendet. Dem Kl. steht aus dem behaupteten Unfallereignis vom 17.1.2014 ein Schadensersatzanspruch aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, § 115 VVG, § 823 Abs. 1 BGB schon dem Grunde nach nicht zu, weil der Senat aufgrund des Ergebnisses der vor ihm durchgeführten Beweisaufnahme überzeugt ist, dass die Schäden am Fahrzeug des Kl. nicht aus dem durch den Kl. behaupteten Unfallereignis herrühren.
[33] (1) Im Rahmen der verkehrsrechtlichen (Direkt-)Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG, § 823 Abs. 1 BGB, § 115 Abs. 1 VVG trägt der klagende Geschädigte in der 1. Stufe die Darlegungs- und Beweislast für den äußeren Tatbestand der Rechtsgutsverletzung: Er muss im – vorliegend gegebenen – Falle des Bestreitens durch den Gegner nachweisen, dass der Unfallhergang, d.h. der äußere die Ersatzpflicht begründende Schadenshergang, tatsächlich wie behauptet stattgefunden hat. Eine Haftung setzt nämlich voraus, dass der Betrieb eines Kfz adäquat kausal zu einem Schaden geführt hat. Für diesen Kausalzusammenhang ist der Geschädigte mit dem strengen Maßstab des § 286 ZPO beweispflichtig. Kann er diesen Beweis nicht führen, sind die Ersatzansprüche schon deshalb zurückzuweisen; der behauptete Unfallhergang und damit die Schadenskausalität sind nicht bewiesen und ein anderer, einen Ersatzanspruch begründender Hergang ist schon nicht dargelegt. Dieser Nachweis ist insb. nicht geführt, wenn Zweifel daran bestehen, ob sich der Unfall in der vom Kl. nach Ort und Zeit beschriebenen Weise tatsächlich so zugetragen hat, selbst wenn die Schäden kompatibel sein mögen (vgl. OLG Saarbrücken NJW-RR 2012, 356 [357]; OLG Köln, Hinweisbeschl. v. 23.10.2014 – 19 U 79/14, BeckRS 2015, 03036 Rn 4 m.w.N.). Dabei genügt der Geschädigte seiner Beweislast vor allem dann nicht, wenn sich nach Durchführung der Beweisaufnahme Zweifel an Ort und Zeit des tatsächlichen Geschehens ergeben und zugleich (etwa aufgrund bestehender Schadenskompatibilität) gewichtige Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass beide Fahrzeuge an anderer Stelle unter nicht dargelegten Umständen miteinander kollidiert sind. Denn im Zivilprozess wird ein konkreter (zweigliedriger) Streitgegenstand ...