" … II. Die gem. § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde erweist sich – jedenfalls vorläufig – als erfolgreich, da die Urteilsgründe lückenhaft sind (§§ 267 Abs. 1, 337 StPO i.V.m. §§ 71 Abs. 1, 79 Abs. 3 S. 1 OWiG). Sie genügen nicht den Anforderungen, die im Falle einer bestreitenden Einlassung des Betr. an die Darlegung eines ordnungsgemäß zustande gekommenen Messergebnisses zu stellen sind (vgl. BGHSt 39, 291). Auf Grund seiner Feststellungen zur Fotodokumentation der verfahrensgegenständlichen Messung durfte das AG nicht mehr vom Vorliegen eines standardisierten Messverfahrens ausgehen."
1. Die Beweiswürdigung des AG enthält zur Durchführung der verfahrensgegenständlichen Messung mit dem Einseitensensor “ES3.0‘ u.a. folgende Feststellungen: “Soweit der Verteidiger einwendet, dass die Messung nicht standardisiert erfolgt sei, weil der Messbeamte das Fahrzeug des Betr. und das Fahrerfoto allein mit der ungeeigneten WLAN-Kamera machte, ist dem entgegen zu halten, dass diese Vorgehensweise nach der Bedienungsanleitung zulässig ist. Daraus ergibt sich zum einen, dass die WLAN-Kamera nicht eichpflichtig ist (8.5.3) und zum anderen, dass deren Verwendung zur ausschließlichen Dokumentation des Fahrzeugs und Fahrers zulässig ist, soweit eine geeichte Kamera, selbst wenn diese kein Lichtbild des Fahrzeugs liefert (oder dieses unauswertbar ist, 8.5.3) mitverwendet wird. Dass dies der Fall war, bestätigte der Messbeamte in seiner Vernehmung und ergibt sich auch aus dem Lichtbild Bl. 16 Rückseite d.A., auf dessen Einzelheiten Bezug genommen wird ('schwarzes Bild' mit eingeblendeten Messwerten).‘
2. Diese Darlegungen halten sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand, denn sie sind lückenhaft.
a) Wenn auch im Bußgeldverfahren an die Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen sind, kann für deren Inhalt grds. nichts anderes als im Strafverfahren gelten, denn auch im Bußgeldverfahren sind die Urteilsgründe die alleinige Grundlage für die rechtliche Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin. Sie müssen daher so beschaffen sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung ermöglicht wird (KK/Senge OWiG 4. Aufl. § 71 Rn 106; Göhler-Seitz/Bauer OWiG 17. Aufl. § 71 Rn 42; jeweils m.w.N.). In welchem Umfang Ausführungen zur Beweiswürdigung geboten sind, bestimmt sich nach der konkreten Beweislage und der Bedeutung der Beweisfrage unter Berücksichtigung des Tatvorwurfs und des Verteidigungsvorbringens (vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 12.12.2012 – 3 Ss OWi 450/12, zfs 2013, 290).
b) Erfüllt die Geschwindigkeitsermittlung die Voraussetzungen eines sog. standardisierten Messverfahrens i.S.d. Rspr. des BGH, genügt es im Regelfall, wenn sich die Verurteilung wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf die Mitteilung des Messverfahrens und die unter Abzug der Messtoleranz ermittelte Geschwindigkeit stützt. Denn mit der Mitteilung des angewandten Messverfahrens sowie des berücksichtigten Toleranzwerts wird im Rahmen eines durch Normen vereinheitlichten technischen Verfahrens eine für die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts in aller Regel hinreichende Entscheidungsgrundlage zur Beurteilung einer nachvollziehbaren tatrichterlichen Beweiswürdigung geschaffen (BGHSt 39, 291; 43, 277; vgl. zuletzt auch OLG Bamberg, Beschl. v. 6.10.2017 – 3 Ss OWi 1420/17 [bei juris] m.w.N.).
c) Zwar ist das Messverfahren mit dem Geschwindigkeitsmessgerät “ES3.0‘ von der obergerichtlichen Rspr. als standardisiertes Messverfahren anerkannt (vgl. nur OLG Oldenburg VRS 130, 61; OLG Dresden zfs 2016, 292; OLG Zweibrücken DAR 2013, 38; OLG Köln NZV 2013, 459); von einer Messung im standardisierten Verfahren kann aber nur bei Einhaltung der in der Bedienungsanleitung des Geräteherstellers enthaltenen Vorgaben ausgegangen werden. Wird von der dort vorgeschriebenen Verfahrensweise abgewichen, so handelt es sich um ein individuelles Messverfahren, das die Vermutung der Richtigkeit und Genauigkeit für sich nicht in Anspruch nehmen kann (vgl. OLG Naumburg DAR 2016, 403 m.w.N.). So liegen die Dinge hier.
aa) Zwar darf nach der Bedienungsanleitung das Messgerät ES3.0 neben den (maximal zwei) eichpflichtigen und mittels Kabel mit der Rechnereinheit verbundenen Fotoeinrichtungen Kamera 1 und ggf. Kamera 2 auch mit einer ungeeichten funkgesteuerten Zusatzfotoeinrichtung zur “unterstützenden Dokumentation‘ (Ziffer 2.2 der Bedienungsanleitung [Stand: 10.10.2013; im Folgenden: BA) bzw. um “zusätzliche Bildinformationen zu erhalten‘ (Ziffer 3.2 BA), betrieben werden. Diese funkgesteuerte ungeeichte Fotoeinrichtung hat gegenüber den geeichten Kameras eine zusätzliche Auslöseverzögerung von ca. 60 ms (Ziffer 3.2 BA). Fotos dieser funkgesteuerten Zusatzfotoeinrichtung können als Ergänzung herangezogen werden, um z.B. das Kennzeichen des gemessenen Fahrzeugs ablesen zu können oder eine Fahrererkennung zu ermöglichen, auch wenn das Foto der...