VVG § 28 Abs. 3 S. 2; AKB E 1.1.3 E 2.1 E 2.2
Leitsatz
Der Teilkaskoversicherer ist von seiner Leistungspflicht frei, wenn ein Wissenserklärungsvertreter des VN mehrfache Fragen nach Verkaufsabsichten zu Unrecht verneint, um keinen Schwierigkeiten bei der Regulierung zu begegnen.
(Leitsatz der Schriftleitung)
LG Aachen, Urt. v. 3.8.2017 – 9 O 34/17
Sachverhalt
Der Kl. unterhält bei der Bekl. für ein Kraftrad mit dem amtlichen Kennzeichen (…), das er als Geschenk für seinen Sohn erworben hatte, eine Teilkaskoversicherung, der die üblichen AKB zugrunde liegen. Dem Versicherungsvertrag liegen die AKB der Bekl. (Anlagenkonvolut zum Schriftsatz des Kl. vom 10.7.2017) zugrunde.
Am 28.9.2016 erstattete der Sohn des Kl. Strafanzeige bei der Polizei, da das versicherte Kraftrad zwischen dem 27.9.2016, 23:00 Uhr, und dem 28.9.2016, 3:15 Uhr, entwendet worden sei. Das Ermittlungsverfahren stellte die StA später ein, da ein Täter nicht habe ermittelt werden können.
Nachdem der Kl. der Bekl. die vermeintliche Entwendung gemeldet hatte, übersandte diese ihm, ein Formular zur Schadenanzeige, das der Sohn für den Kl. unter dem 4.10.2016 ausfüllte.
Die Frage "Wollten Sie das Fahrzeug verkaufen?" verneinte der Sohn.
Tatsächlich aber hatte er das Fahrzeug am 25.9.2016 und 26.9.2016 auf der Internetplattform eBay-Kleinanzeigen zum Kauf angeboten. Dies verschwieg er aufgrund der Befürchtung, dass die Bekl. das Inserat so auslegen könnte, als liege nur ein vorgetäuschter Diebstahl vor.
Ein von der Bekl. beauftragter Schadensermittler nahm am 30.11.2016 mit dem Sohn des Kl. Kontakt auf, um mit ihm über den streitgegenständlichen Schaden und die Schadensmeldung zu sprechen. Bei diesem Gespräch fragte er den Sohn, ob er Verkaufsabsichten bezüglich des Fahrzeugs gehabt habe, was der Sohn verneinte. Auch die konkrete Frage, ob hinsichtlich des Motorrads im Internet ein Verkaufsinserat geschaltet worden sei, verneinte er. Erst nachdem der Schadensermittler den Sohn mit der Verkaufsanzeige konfrontiert hatte, bestätigte dieser, dass es sich dabei um das fragliche Fahrzeug handele. Eine Erklärung, weshalb er Verkaufsabsichten zunächst geleugnet habe, gab der Sohn nicht ab.
2 Aus den Gründen:
" … Die zulässige Klage ist nicht begründet."
I. Dem Kl. steht gegen die Bekl. kein Anspruch auf Zahlung des geltend gemachten Betrags zu; ein solcher Anspruch folgt insb. nicht aus dem Versicherungsvertrag i.V.m. den Versicherungsbedingungen.
Es kann dahinstehen, ob das streitgegenständliche Fahrzeug entwendet wurde, denn jedenfalls ist die Bekl. gem. E.2.1 AKB leistungsfrei, da der Kl. arglistig gegen seine aus E.1.1.3 AKB folgende Aufklärungsobliegenheit, die Fragen der Bekl. zu den Umständen des Schadensereignisses wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten, verstoßen hat.
1. Der Sohn des Kl. hat die in der Schadensanzeige gestellte Frage nach Verkaufsabsichten objektiv falsch beantwortet, indem er sie wahrheitswidrig verneint hat.
2. Hierbei handelte es sich auch subjektiv um eine Falschangabe, denn dem Sohn des Kl. war bewusst, das Fahrzeug im Internet zum Kauf angeboten zu haben. Dabei kann dahinstehen, ob er, wie vom Kl. vorgetragen, “insb.‘ hat in Erfahrung bringen wollen, für welchen Preis er das Motorrad verkaufen könnte. Denn jedenfalls gab es das Verkaufsangebot, nach dem die Bekl. gefragt hat.
3. Die Frage der Kausalität der Obliegenheitsverletzung für die Feststellung des Versicherungsfalls oder die Feststellung bzw. den Umfang der Leistungspflicht der Bekl., kann gem. E.2.2 AKB dahinstehen. Denn bei der Falschbeantwortung der Frage handelte der Sohn des Kl. arglistig.
Arglist verlangt über das Wollen der Obliegenheitsverletzung hinaus, dass das Verhalten des VN zumindest bedingt vorsätzlich darauf gerichtet ist, dem VR einen Nachteil zuzufügen. Dieser Nachteil muss nicht in einer ungerechtfertigten Zahlung bestehen. Eine Bereicherungsabsicht ist mithin nicht erforderlich. Daher genügt es als vom VN gewollter Nachteil des VR, wenn das inkorrekte Verhalten des VN Beweisschwierigkeiten überwinden oder wenn der VR davon abgehalten werden soll, an sich gebotene Ermittlungen über die Berechtigung des Anspruchs anzustellen. Es genügt auch, wenn der VN lediglich die Regulierung beschleunigen wollte. (…)
Es mag sein, dass dem Sohn des Kl. sein Verhalten leid tut und er keinen Schlaf mehr finden konnte, weil er nach dem Fahrzeug im Internet recherchiert hat. Aber das beseitigt die bewusste Falschangabe nicht, zumal er diese unstreitig gegenüber dem Schadensermittler erneut wiederholt hat. Erst nach Konfrontation mit der Anzeige räumte der Sohn das Inserat ein. Er hielt also an seiner ursprünglichen Version fest, anstatt gleich die Gelegenheit zu nutzen, seinen von ihm vorgeblich so bedauerten Fehler einzugestehen.
Und selbst wenn der Sohn des Kl. unerfahren sein sollte in Angelegenheiten wie der vorliegenden, muss selbst ihm angesichts der ihm im Formular zur Schadenanzeige erteilten Belehrung über die Obliegenheiten und die Folgen ihrer Verletzung klargeworden sein, dass er wahrheitsgemäße Angabe...