"Der Kl. stehen die geltend gemachten Schadensersatzansprüche aufgrund einer fehlerhaften Beratung (§ 63 VVG, § 249 BGB) auch dem Grunde nach gegenüber den Bekl. zu. …"
2. Zutreffend geht das LG zunächst ferner davon aus, dass die Bekl. zu 2 der Kl. zur Beratung im Zusammenhang mit der Kündigung der bestehenden und dem Abschluss der neuen Versicherungen vertraglich verpflichtet war.
a) An einen Berater wendet sich ein Interessent, wenn er selbst keine ausreichenden Kenntnisse für die Auswahl eines Produkts und keinen genügenden Überblick über die maßgeblichen Zusammenhänge hat. Der Interessent erwartet vom Berater daher nicht nur Informationen über Tatsachen, sondern darüber hinaus insb. deren fachkundige Bewertung und Beurteilung unter Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse …
b) Bei der Vermittlung von Versicherungen bestehen entsprechende Beratungspflichten insb. für einen Versicherungsmakler (§ 59 Abs. 1 und 3 VVG): Mit Abschluss eines Maklervertrags übernimmt der Versicherungsmakler die Verpflichtung, sich um die Vermittlung des für seinen Kunden günstigsten Versicherungsvertrags zu bemühen. Seine dadurch begründeten Pflichten gehen weit. Ein Versicherungsmakler hat als Vertrauter und Berater des Versicherungsinteressenten individuellen, passenden Versicherungsschutz zu besorgen und untersucht von sich aus das zu versichernde Risiko. Wegen seiner umfassenden Pflichten kann der Versicherungsmakler für den Bereich der Versicherungsverhältnisse des von ihm betreuten Versicherungsinteressenten als dessen treuhänderähnlicher Sachwalter bezeichnet und insoweit mit sonstigen Beratern verglichen werden (vgl. BGH VersR 1985, 930-932). Ein Versicherungsmakler schuldet daher ebenfalls regelmäßig die Ermittlung des Bedarfs, einschließlich eingehender Risikoanalyse, und die Beratung hinsichtlich des abzudeckenden Risikos (vgl. Prölss/Martin/Dörner, VVG, 28. Aufl. 2010, § 59 Rn 51).
c) Gemessen hieran trat die Bekl. zu 2 – vertreten durch die Bekl. zu 1 (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB) – der Kl. gegenüber als Beraterin und Versicherungsmaklerin auf. Bereits der auf der von der Bekl. zu 1 überlassenen Visitenkarte wieder gegebene Slogan der Bekl. zu 2 “Unabhängigkeit ist unsere Stärke, Kapitalanlagen, Altersvorsorge, Immobilien, Immobilienfinanzierungen, Versicherungen' vermittelt den Eindruck, dass eine neutrale Überprüfung verschiedener Möglichkeiten durch die Bekl. zu 2 erfolgt … Die Bekl. zu 1 führte ferner namens der Bekl. zu 2 für die Kl. einen “Finanzcheck' durch, der eine Erhebung der finanziellen Verhältnisse und des Versicherungsbestands der Kl., die Ermittlung von deren Bedarf einschließlich “Risikoanalyse' und sich hieraus ergebende Empfehlungen einschloss. Hierüber wurde ein “Beratungsprotokoll' gefertigt. Vom maßgeblichen objektivierten Empfängerhorizont der Kl. (§§ 157, 133 BGB) ließen die genannten Umstände nur den Schluss auf eine vertraglich geschuldete Beratungsleistung zu. Hieran muss sich die – im Übrigen im Versicherungsvermittlerregister als Versicherungsmaklerin registrierte (§ 291 ZPO … ) – Bekl. zu 2 haftungsrechtlich festhalten lassen …
4. Entgegen der Auffassung des LG wurden die die Bekl. nach alledem treffenden Beratungspflichten bei der Beratung der Kl. verletzt (§ 63 VVG).
a) Einen Versicherungsmakler treffen weitgehende Beratungs- und Betreuungspflichten (s.o., vgl. BGH VersR 1985, 930-932). Hebt ein Versicherungsmakler die Vorteile des Abschlusses einer Versicherung bei einem anderen Unternehmen hervor und empfiehlt diesen, so muss er über sämtliche Folgen des Wechsels aufklären (vgl. OLG Köln RuS 2006, 483). Seine Pflicht, auf Risiken hinzuweisen, erstreckt sich auch auf die Abwicklung der bereits vorhandenen Verträge (vgl. OLG Hamm zfs 2010, 507-509), beispielsweise auch die Nachteile einer vorzeitigen Kündigung einer Kapitallebensversicherung … Diese weit gehenden Beratungspflichten erfüllt ein Versicherungsmakler insb. beim Wechsel einer Personenversicherung nur, wenn er dem Kunden einen nachvollziehbaren und geordneten Überblick über alle wesentlichen leistungs- und beitragsrelevanten Unterschiede der bestehenden und der angebotenen Versicherung verschafft. Nichts anderes gilt für einen Berater, der für einen Kunden im Rahmen eines “Finanzchecks' eine Bedarfsanalyse durchführt und hieraus Empfehlungen für seinen Kunden ableitet. (wird ausgeführt)
(2) Nach der Anhörung der Kl. und der Bekl. zu 1 ist der Senat davon überzeugt, dass eine hinreichende Beratung durch die Bekl. zu 1 hinsichtlich der vorstehend benannten Nachteile einer Kündigung der bestehenden Rentenversicherung nicht erfolgt ist. In den Beratungsprotokollen sind – was auch die Bekl. zu 1 anlässlich ihrer Anhörung durch den Senat einräumen musste – entsprechende Hinweise trotz der für die Bekl. bestehenden Dokumentationspflicht (§ 61 Abs. 1 S. 2 VVG) nicht festgehalten. Nach Sinn und Wortlaut erstreckt sich die Dokumentationspflicht nicht lediglich auf den erteilten konkreten Versicherungsrat, sondern auch auf die Erfassun...