StVG § 21 Abs. 1 Nr. 1; FeV § 26 § 28
Leitsatz
1. Eine am 30.12.2004 durch tschechische Behörden mit einer Gültigkeitsdauer bis zum 29.12.2014 erteilte Fahrerlaubnis berechtigt den Inhaber der Fahrerlaubnis grds. dazu, im Umfang ihrer Berechtigung Kfz auch im Inland zu führen.
2. Allein der die Fahrerlaubnis erteilende Staat ist berechtigt, die Einhaltung des Wohnsitzprinzips zu prüfen.
3. Bei vorangegangener Entziehung der Fahrerlaubnis gilt die Nichtanerkennung einer danach erteilten EU- oder EWR-Fahrerlaubnis nach der zweiten EG-Führerscheinrichtlinie nur für den Zeitraum der im Inland verhängten Sperrfrist; nach deren Ablauf darf einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis die Anerkennung nicht versagt werden.
4. Die mit der dritten EG-Führerscheinrichtlinie eingeführte Möglichkeit, dass ein Mitgliedsstaat die Anerkennung der Gültigkeit des Führerscheins ablehnt, der von einem anderen Mitgliedstaat einer Person ausgestellt wurde, deren Führerschein im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedsstaats eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen worden war, ist nur für Führerscheine von Bedeutung, die ab dem 19.1.2009 ausgestellt wurden.
(Leitsätze der Schriftleitung)
Thüringer OLG, Beschl. v. 12.3.2012 – 1 Ss 122/11
Sachverhalt
Das AG verurteilte den Angeklagten wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 65 Tagessätzen zu je 40 EUR.
Die hiergegen vom Angeklagten und von der Staatsanwaltschaft eingelegten Berufungen verwarf das LG.
Auf die Revision des Angeklagten hebt das OLG das Urt. des LG mit den getroffenen Feststellungen auf und verweist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des LG zurück.
2 Aus den Gründen:
"… . II. … .Die in dem angefochtenen Urt. getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen nach §§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG, 53 StGB nicht."
Aus ihnen lässt sich nicht entnehmen, der Angeklagte habe zu den Tatzeitpunkten nicht über eine gültige Fahrerlaubnis verfügt.
a) Die ihm am 30.12.2004 durch die tschechischen Behörden mit einer Gültigkeitsdauer bis zum 29.12.2014 erteilte Fahrerlaubnis berechtigt den Angeklagten nach § 28 Abs. 1 S. 1 FeV grds. dazu, im Umfang ihrer Berechtigung Kfz auch im Inland zu führen.
b) Die Feststellungen des LG tragen nicht die Annahme, diese Berechtigung sei wegen Verstoßes gegen das so genannte Wohnsitzerfordernis gem. § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 FeV ausgeschlossen.
Danach gilt die Berechtigung nach § 28 Abs. 1 S. 1 FeV nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellermitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Information zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten, es sei denn, dass sie als Studierende oder Schüler i.S.d. § 7 Abs. 2 die Fahrerlaubnis während eines mindestens sechsmonatigen Aufenthalts erworben haben.
Der EuGH hat insoweit entschieden, dass allein der die Fahrerlaubnis erteilende Staat berechtigt ist, die Einhaltung des Wohnsitzprinzips zu prüfen (Urt. v. 29.4.2004 – C-476/01, Rechtssache Kapper, NJW 2004, 1725, 1727 [= zfs 2004, 287]). Dabei ist der Besitz eines von einem anderen EU-Staat ausgestellten Führerscheins grds. ausreichender Nachweis dafür, dass die in der EG-Führerscheinrichtlinie vorgesehenen Voraussetzungen für die Ausstellung des Führerscheins am Tag der Erteilung der Fahrerlaubnis erfüllt waren (EuGH, a.a.O., 1726).
Der Ausnahmefall des § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Alt. 1 FeV liegt nicht vor, weil in dem am 30.12.2004 ausgestellten tschechischen Führerschein eine tschechische Anschrift nämlich Decin, vermerkt ist.
Der Ausnahmefall des § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 FeV kann nach den Urteilsfeststellungen ebenfalls nicht angenommen werden.
Entsprechende Informationen betreffend den Wohnsitz können nämlich nur verwertet werden, wenn sie sowohl unbestreitbar sind als auch vom Ausstellermitgliedstaat herrühren. Diese Aufzählung der Erkenntnisquellen ist nach der Rspr. des EuGH abschließend. Zwar können Behörden und Gerichte des Aufnahmestaates selbst Informationen beim Ausstellermitgliedstaat einholen, wenn ernstliche Zweifel daran bestehen, dass der Erwerber der Fahrerlaubnis bei deren Erteilung seinen ordentlichen Wohnsitz im Ausstellermitgliedstaat hatte. So gewonnene Erkenntnisse können aber eben nur dann zur Verweigerung der Anerkennung der ausländischen Fahrerlaubnis führen, wenn es sich dabei um vom Ausstellermitgliedstaat herrührende unbestreitbare Informationen handelt, die beweisen, dass der Führerscheininhaber zum Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Gebiet des Ausstellermitgliedstaates hatte. Solche unbestreitbaren Informationen liegen nur dann vor, wenn bei Heranziehung allein der Informationen des Ausstellermitgliedstaates der Verstoß gegen das Wohnsitzprinzip so sehr wahrscheinlich ist, dass kein vernünftiger Mensch noch daran zweifelt (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Auflage, § 28 FeV Rn 21, 22 m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen ist vo...