Dass die Ansprüche von Angehörigen im deutschen Recht so karg ausgestattet sind, ergibt sich aus der besonderen Systematik des Deliktsrechts. Das BGB gewährt nämlich keineswegs für jeden Schaden Ersatz und enthält insbesondere keine deliktische Generalklausel, sondern zählt in § 823 Abs. 1 BGB einzelne Rechtsgüter auf, deren Verletzung zum Schadensersatz führt. Zu diesen Rechtsgütern gehört auch das Leben. Mit dessen Verlust fällt jedoch zugleich der Rechtsträger weg, so dass für seine Angehörigen nur die in §§ 844, 845 BGB geregelten Ansprüche auf Ersatz von Unterhalt und Dienstleistungen verbleiben, wenn der Rechtsträger hierzu gesetzlich verpflichtet war. Deshalb sind sie nur mittelbar geschädigt. Einen eigenen Anspruch hat der Angehörige nur dann, wenn er durch das Schadensereignis eine gesundheitliche Beeinträchtigung von Krankheitswert erlitten hat, also selbst in einem durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgut verletzt worden ist. Eine weitere wichtige Einschränkung ergibt sich daraus, dass ein bloßer Vermögensschaden nur bei einer Schutzgesetzverletzung nach § 823 Abs. 2 BGB erstattungsfähig ist.
Soweit Wenter meint, dass in Italien familiäre Beziehungen höher geschätzt und durch die Verfassung besser geschützt würden, stellt auch das deutsche Grundgesetz in Art. 6 Abs. 1 Ehe und Familie unter besonderen Schutz und es ist anerkannt, dass die Grundrechte auch Drittwirkung im Privatrecht entfalten können. So hat die deutsche Rechtsprechung für gravierende Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen besonderen Schadensersatzanspruch entwickelt und dieses "sonstige" Recht den anderen absoluten Rechten des § 823 Abs. 1 BGB gleichgestellt. Gerade an diesem Anspruch wird jedoch die Problematik deutlich. Während es bei Verletzungen des Persönlichkeitsrechts um einen eigenen Anspruch des Geschädigten geht, ist für den Angehörigen kein vergleichbares Rechtsgut ersichtlich. Ein Recht auf Familienbande oder ungestörte Lebensführung ist zu unbestimmt, als dass es ein "sonstiges" absolutes, d.h. gegenüber jedermann geschütztes Recht darstellen könnte. Eine Rechtsgrundlage fehlt auch, soweit es um eigene Ansprüche des Angehörigen für die Pflege eines Unfallgeschädigten geht. Die Ansprüche auf Ersatz der eigentlichen Pflegekosten werden nach deutschem Recht im Rahmen der materiellen Schadensersatzansprüche des Geschädigten entschädigt. Dessen immaterieller Anspruch ist auch dann, wenn er wegen einer schweren Beeinträchtigung selbst keine Genugtuung mehr empfinden kann, so reichlich zu bemessen, dass er sich die besondere Sorgfalt und Zuwendung des Pflegenden verschaffen kann. Jedenfalls gibt es auch hier nur eine mittelbare Ausstrahlung auf den pflegenden Angehörigen. Das hat nichts mit einer Begünstigung der Versicherungen zu tun, sondern beruht auf der zwingenden Systematik des Gesetzes.
Deshalb hilft auch die Überlegung nicht weiter, dass der Personenschaden besser entschädigt werden solle als der Sachschaden. Soweit das auch im deutschen Rechtskreis gefordert wird, ist damit eine Verbesserung der Schadensersatzansprüche des Unfallopfers gemeint, nicht jedoch eine Erweiterung des Kreises der Ersatzberechtigten, die nur mit einem tiefgreifenden Eingriff in das System des Deliktsrechts zu erreichen wäre. Im Übrigen ist die Ausgestaltung der Ansprüche auf Ersatz von Sachschaden aus § 249 BGB entwickelt worden und beruht, wenn es etwa um den Nutzungswert eines durch den Unfall beschädigten Fahrzeugs geht, auf objektiven Anhaltspunkten, die eine rechnerische Bemessung des Schadens ermöglichen.
Das ist das eigentliche Problem, das der Einführung eines Entschädigungsanspruchs für Angehörige entgegen steht und auch der hauptsächliche Grund für den Gesetzgeber gewesen sein dürfte, bei der Modernisierung des Schadensersatzrechts im Jahr 2002 keinen derartigen Anspruch einzuführen. Die Bemessung anhand von Tabellen, wie sie im italienischen Recht wohl zugrunde gelegt werden, erscheint zur Bewertung menschlicher Beziehungen und entsprechender Verluste schlechthin ungeeignet. Anders als bei körperlichen Schädigungen mit den sog. Gliedertaxen sind keine objektiven Anhaltspunkte für die Beurteilung so höchst persönlicher Gefühle wie Trauer oder Schmerz über den Verlust des Familienbandes erkennbar, so dass nach meiner Auffassung das Recht hier an seine Grenzen stößt. Ich verkenne jedoch nicht, dass die Empfehlung des 50. Deutschen Verkehrsgerichtstags vom Januar 2012 für eine finanzielle Entschädigung der nächsten Angehörigen einem verbreiteten Wunsch nach Genugtuung und Gerechtigkeit entsprechen dürfte. Beachtung verdient auch der Appell an den Gesetzgeber, den Entschädigungsanspruch nach § 844 Abs. 2 BGB auf faktisch bestehende und/oder vertraglich geregelte Unterhaltsberechtigungen zu erstrecken.
Nachdenklich können auch zwei von Wenter erwähnte Fälle stimmen. Der Unfalltod des im Familienbetrieb arbeitenden Sohnes zeigt in dem vom BGH entschiedenen Fall deutlich die Grenzen des geltende...