"… . II. …. Die Feststellung des AG, dass die Rotphase der Wechsellichtzeichenanlage beim Passieren der Haltelinie bzw. der Ampel bereits länger als eine Sekunde andauerte (sog. qualifizierter Rotlichtverstoß), findet in den Urteilsgründen keine zureichend tragfähige Grundlage. Die Ausführungen des AG zur Würdigung des Beweisergebnisses sind insoweit unvollständig und lassen besorgen, dass seine Überzeugung nicht frei von rechtsfehlerhaften Erwägungen gebildet worden ist."
Der Tatrichter muss für das Rechtsbeschwerdegericht nachprüfbar darlegen, dass seine Überzeugung auf tragfähigen tatrichterlichen Erwägungen beruht (st. Senatsrspr., vgl. nur SenE v. 7.9.2004 – 8 Ss-OWi12/04 = NJW 2004, 3439 = NZV 2004, 651 = DAR 2005, 50 = VRS 107, 384).
Wegen der erheblichen Auswirkungen im Rechtsfolgenausspruch muss insb. auch die Feststellung, dass das Rotlicht – im maßgebenden Zeitpunkt des Überfahrens der Haltelinie – länger als eine Sekunde andauerte, vom Tatrichter nachvollziehbar aus der Beweiswürdigung hergeleitet werden (st. Senatsrspr., vgl. nur Senat a.a.O.).
Damit die Feststellungen eines von einem Zeugen beobachteten qualifizierten Rotlichtverstoßes eine tragfähige Grundlage für die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht bilden, ist es erforderlich, dass der Tatrichter in den Urteilsgründen die von dem Zeugen angewandte Messmethode darstellt und sie hinsichtlich ihrer Beweiskraft bewertet (SenE v. 6.11.2006 – 83 Ss-OWi 81/06; vgl. auch BayObLG DAR 2002, 520 = NZV 2002, 518 = NStZ-RR 2002, 345 = VRS 103, 449). Soll durch Zeugenbeweis – ohne technische Hilfsmittel – ein qualifizierter Rotlichtverstoß bewiesen werden, so ist eine kritische Würdigung des Beweiswertes der Aussagen geboten (SenE a.a.O.).
Diesen Anforderungen genügt die Beweiswürdigung im angefochtenen Urt. nicht.
Das Tatgericht hat seine Überzeugung vom Vorliegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes auf die Entfernungsschätzungen der Polizeibeamten X. und Y. gestützt. Entfernungsangaben, die nicht auf Messungen, sondern ausschließlich auf visuellen Beobachtungen (Schätzungen) beruhen, sind jedoch in der Regel mit einem erheblichen Fehlerrisiko behaftet. Infolgedessen bedarf es in einem solchen Fall einer wertenden Auseinandersetzung mit den Grundlagen dieser Schätzung.
Eine solche hat hier ausweislich der Urteilgründe nicht zureichend stattgefunden.
Die Urteilsgründe lassen befürchten, dass sich das Tatgericht bei seiner Überzeugungsbildung auf die Schätzung des Polizeibeamten verlassen hat, ohne diese einer kritischen Überprüfung (s.o.) zu unterziehen.
Die S.-Straße mündet im stumpfen Winkel in die Straße N.-Damm ein (vgl. zur Beachtung offenkundiger Tatsachen durch das Rechtsbeschwerdegericht Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 337 Rn 25, § 244 Rn 50, 51), so dass mangels anderer Anhaltspunkte nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Betr. unmittelbar vor dem Passieren der Haltelinie noch mit der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h gefahren ist. Bei 50 km/h legte das Fahrzeug des Betr. in einer Sekunde 13,88 m zurück. Ein qualifizierter Rotlichtverstoß läge danach nur dann vor, wenn der Betr. beim “Umspringen' der Ampel von Gelblicht auf Rotlicht noch mehr als 13,88 m von der Haltelinie entfernt gewesen wäre (vgl. dazu, dass den Betr. bei der Berechnung der Rotlichtzeit eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht entlasten würde: OLG Ko. VM 1984, 92; OLG Bremen VRS 79, 38).
Nach den Aussagen der Polizeibeamten X. und Y. soll das der Fall gewesen sein. Ihre Entfernungsangabe von 17 m liegt aber noch so dicht an dem Wert von 13,88 m (Differenz: 3,12 m), dass die Annahme eines qualifizierten Rotlichtverstoßes einer eingehenden Auseinandersetzung mit der Zuverlässigkeit der Schätzungen der Zeugen bedurft hätte.
Diese erübrigte sich nicht etwa deshalb, weil der Zeuge X. angegeben hat, er habe die Strecke nach Fahrzeuglängen geschätzt, wobei er eine Fahrzeuglänge jeweils mit 3,50 m bis 4 m angesetzt habe. Dass der Zeuge in der Lage war, (gedachte) Fahrzeuglängen so in die S.-Straße zu projizieren, dass sich eine zuverlässige Schätzung ergab, versteht sich jedenfalls nicht von selbst. Daran ändert auch nichts die Bekundung des Zeugen, er habe die Schätzung “großzügig zugunsten des Betr. vorgenommen'. Was der Zeuge unter “großzügig' versteht, lässt sich den Urteilgründen nicht entnehmen.
Soweit der Zeuge Y. bekundet hat, sie hätten Fahrzeuglängen zugrunde gelegt “und sich dabei an geparkten Fahrzeugen orientiert', ist unklar, ob es sich um tatsächlich vorhandene Fahrzeuge oder um fiktive Fahrzeuge gehandelt hat, wobei für letzteres die Aussage des Zeugen X. spricht, der parkende Fahrzeuge nicht erwähnt hat, und auch die “Google Maps mit Street View' zu entnehmende Örtlichkeit keine Parkmöglichkeiten für Fahrzeuge erkennen lässt. Soweit der Zeuge bekundet hat, “bei ihrer Schätzung seien sie zugunsten des Betr. sehr großzügig verfahren', gilt das zuvor Angeführte.
Der aufgezeigte Mangel in der Beweiswürdigung führt zur A...