Wer kennt das nicht: Man wird damit konfrontiert, schuldhaft einen Verkehrsunfall verursacht zu haben, obwohl man selbst den Unfallablauf gänzlich anders wahrgenommen hat. Oder man wird von einem Anzeigeerstatter beschuldigt, an einer bestimmten Stelle auf der BAB 5 ihn genötigt zu haben, obgleich man zu diesem Zeitpunkt gar nicht dort gefahren ist, man aber vermeintlich identifiziert worden ist. Nächstes Beispiel: Das eigene Traumauto wird gestohlen und man wünscht sich sehnlichst die Wiederbeschaffung herbei. Oder man steht mit einer Panne irgendwo in der "Walachei" und das Mobiltelefon hat keinen Empfang.
Die Lösung in diesen Fällen heißt Telematik. Was in Deutschland noch weitgehend unbekannt ist, bestimmt in anderen Ländern – zum Teil gesetzlich vorgeschrieben – den Versicherungsalltag.
Der finanzielle Vorteil solcher Telematikpolicen ist dort immens, weil dadurch aus verschiedensten Gründen die Schadensquoten massiv gedrückt werden konnten. Insbesondere bei der Wiederbeschaffung gestohlener Fahrzeuge ist die Erfolgsquote mit rund 80 % länderübergreifend sehr erfolgreich. Primär aber wird die Telematik wesentlich bei der Betrugsbekämpfung von fingierten Diebstählen, gestellten Unfällen und unberechtigten Schleudertraumataforderungen eingesetzt. Denn durch die Aufzeichnung und Übermittlung von Unfalldaten können Fragen, ob ein Unfall wirklich ein Unfall war, ebenso geklärt werden wie die Schuld oder die Korrektheit behaupteter Sach- und Personenschäden. Auffahrunfälle können dadurch zu 100 % geklärt werden, so dass die meist fruchtlosen Diskussionen darüber, ob ein Auffahren oder Rückwärtsfahren dem Unfall vorausgegangen ist, ebenso vorbei sind wie die übliche Haftungsteilung bei der Unaufklärbarkeit des behaupteten Geschehens. Zudem hilft die Telematik einem Unschuldigen auch, seine Unschuld zu beweisen, etwa bei einer behaupteten Fahrflucht oder Nötigungs- bzw. Beleidigungsstraftat im Straßenverkehr. Im Pannenfall wird das Fahrzeug einschließlich des Grundes für die Panne sofort an einen Servicedienst weitergeleitet, so dass Hilfe auch in entlegenen Gebieten schnell geleistet werden kann. Möglich ist das alles, weil das Fahrzeug immer kommuniziert, also wann, wo und wie und gegebenenfalls auch durch wen gefahren wird.
Nicht zu unterschätzen ist außerdem die Prävention. Statistiken aus Italien zeigen, dass Betrügereien wie gestellte Unfälle oder Diebstähle bei hochwertigen Fahrzeugen um 80 % und bei Kleinwagen immerhin um 30 % zurückgehen. Dieser Rückgang ist nicht dadurch bedingt, dass Täter und Taten weniger werden, sondern dadurch, dass die Täter mit ihrer kriminellen Energie auf diejenigen Länder ausweichen, wo die Telematik (noch) eine Unbekannte ist. In den insoweit führenden Telematikländern wie Italien, USA, Vereinigtes Königreich, aber auch Spanien, Frankreich, Österreich oder Südafrika konnten die teilweise nicht mehr zu bezahlenden Versicherungsprämien damit wieder auf ein erträgliches Maß reduziert werden.
Doch was in den oben genannten Beispielen so idyllisch für einen Versicherungsnehmer klingt, so hat diese schöne neue Welt auch große Risiken. Denn das Fahrverhalten eines Versicherungsnehmers wird rund um die Uhr überwacht. Und nicht nur die des Versicherungsnehmers! Die Kinder, die von der Mutter morgens zur Schule und am Nachmittag zum Fußballtraining oder Schwimmunterricht gebracht werden, unterliegen letztlich auch zeitlich und räumlich einer Überwachung. Nutzungsprofile können so problemlos erstellt und verkauft werden. Bewegungsprofile sind in gleicher Weise möglich und können wie eine Schadensakte auch von Ermittlungsbehörden oder Finanzämtern sichergestellt werden. Funktionieren kann dies nur, wenn datenschutzrechtliche Vorschriften umgangen werden und/oder der Versicherungsnehmer der Aufzeichnung und bedingungsgemäßen Verwertung schriftlich zustimmt. Das bedingt erneut ein großes Stück zum Teil unwiederbringlicher Freiheitsaufgabe für den Einzelnen mit Einschränkungen, für die die Phantasie heute noch gar nicht ausreicht. Das muss vor allem an den Grundrechten auf Menschenwürde und Freiheit abgewogen werden, um auch den Einzelnen davor zu schützen, vorschnell seine Freiheit aufzugeben.
Autor: Andreas Krämer
RA Andreas Krämer, FA für Versicherungsrecht und für Verkehrsrecht, Frankfurt am Main