OWiG § 72
Leitsatz
Eine Entscheidung im Beschlussweg kann nicht ergehen, wenn der Betroffene seine Zustimmung davon abhängig gemacht hat, dass eine bestimmte Bußgeldhöhe nicht überschritten wird.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 4.12.2012 – 2 (6) SsBs 658/12 – AK 190/12
1 Aus den Gründen:
" … Die Rechtsbeschwerde gegen den gem. § 72 OWiG ergangenen Beschluss, durch den das AG gegen den Betr. eine Geldbuße von 100 EUR festgesetzt hatte, ist zulässig, da eine Verfahrensrüge, mit der die Unzulässigkeit des schriftlichen Verfahrens gem. § 79 Abs. 1 Nr. 5 OWiG beanstandet wurde, in wirksamer Weise erhoben ist.
Die Rechtsbeschwerde rügt in einer den Begründungserfordernissen des § 344 Abs. 2 StPO genügenden Weise, dass das AG im Beschlussverfahren gem. § 72 OWiG eine Geldbuße von 100 EUR festgesetzt hat, obwohl der Betr. über seinen Verteidiger mit einer Entscheidung im Beschlusswege nur unter der Voraussetzung einverstanden war, dass keine höhere Geldbuße als 90 EUR verhängt wurde.
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das AG hat gem. § 72 OWiG entschieden, obwohl das an eine zulässige Bedingung geknüpfte Einverständnis des Betr. als Widerspruch gegen eine Beschlussentscheidung mit einem von dieser Bedingung abweichenden Ergebnis zu werten war (Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 72 Rn 22; KK/Senge, OWiG, 3. Aufl., § 72 Rn 20 jeweils m.w.N.). Damit lagen die Voraussetzungen für den Erlass des angefochtenen Beschlusses nicht vor. Er musste deshalb unter Zurückverweisung der Sache an das AG aufgehoben werden.“
Mitgeteilt von RA und FA für Strafrecht Dr. Ingo Fromm, Köln
2 Anmerkung:
Die Entscheidung des OLG Karlsruhe bestätigt die bereits bestehende obergerichtliche Rspr., dass eine Entscheidung im Beschlussweg nicht ergehen kann, wenn die Zustimmung des Betroffenen von einer (zulässigen) Bedingung abhängig gemacht wird. Eine solche zulässige Bedingung ist die Nichtüberschreitung einer bestimmten Bußgeldhöhe (so schon OLG Schleswig, Beschl. v. 26.8.1988 – 1 Ss OWi 398/88 – MDR 1989, 568). Dies gilt selbst dann, wenn der Betroffene eine solche Bedingung nicht ausdrücklich stellt, sondern einen konkreten Bußgeldbetrag nur anregt (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 1.12.1994 – 5 Ss (OWi) 431/94 – (OWi) 197/94 I – VRS 88, 380). Weitere Beispiele für zulässige Bedingen sind das Einverständnis mit dem schriftlichen Verfahren für den Fall des Freispruchs oder die Verfahrenseinstellung (OLG Hamm VRS 44, 311), für die Verhängung einer geringeren Geldbuße als im Bußgeldbescheid (OLG Hamm, Beschl. v. 10.5.1982 – 3 Ss OWi 816/82 – NStZ 1982, 388) oder für den Wegfall des Fahrverbots gegen Erhöhung der Geldbuße (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.9.1989 – 5 Ss (OWi) 348/89 – (OWi) 146/89 I – NJW 1990, 1059). Keine Bedingung ist die Äußerung einer Ansicht oder die Bitte um eine bestimmte Verfahrensweise (Göhler/Seitz, OWiG, 16. Aufl., 2012, § 71, Rn 22 m.w.N.).
RiAG Dr. Benjamin Krenberger, Landstuhl