[7] "… Zutreffend nimmt das BG an, dass aufgrund des im Adhäsionsverfahren ergangenen Urteils im Verhältnis zwischen dem Kl. und dem Bekl. zu 2) dessen Haftung dem Grunde nach rechtskräftig festgestellt ist, dieses Urteil jedoch keine Bindung hinsichtlich der Bekl. zu 1) entfaltet.

[8] a) Die in einem Strafverfahren ergangene Entscheidung über den Antrag des Verletzten auf Ersatz des aus einer Straftat des Beschuldigten erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruchs (§§ 403 f. StPO) steht gem. § 406 Abs. 3 S. 1 StPO einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleich. Gem. § 406 Abs. 1 S. 2 StPO kann sich die Entscheidung des Strafgerichts auf den Grund des geltend gemachten Anspruchs beschränken (vgl. BGH, Beschl. v. 21.8.2002 – 5 StR 291/02, BGHSt 47, 378). Macht das Gericht von dieser Möglichkeit Gebrauch, gilt § 318 ZPO entsprechend. Das bedeutet, dass das im nachfolgenden Betragsverfahren zur Entscheidung berufene Zivilgericht (§ 406 Abs. 3 S. 4 StPO) an die im Adhäsionsverfahren getroffene Entscheidung gebunden ist (Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 406 Rn 3; Musielak/Musielak, ZPO, 9. Aufl. § 318 Rn 4; Löwe/Rosenberg/Hilger, StPO, 26. Aufl., § 406 Rn 12; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 304 Rn 76).

[9] b) Der Umfang der Bindungswirkung eines Grundurteils richtet sich danach, worüber das Gericht wirklich entschieden hat. Dies ist durch Auslegung von Urteilsformel und Entscheidungsgründen zu ermitteln (BGH, Urt. v. 14.4.1987 – IX ZR 149/86, VersR 1987, 939, 940 und v. 14.6.2002 – V ZR 79/01, NJW 2002, 3478, 3479, jeweils m.w.N.; MüKo-ZPO/Musielak, 3. Aufl., § 304 Rn 12).

[10] c) Ob die Bindungswirkung im vorliegenden Fall, wie das BG annimmt, die Verneinung eines Mitverschuldens (§ 254 BGB) erfasst, kann offen bleiben (vgl. dazu OLG Karlsruhe MDR 2011, 979). Ebenso ist nicht zu entscheiden, ob die vom Strafgericht hier bejahte fahrlässige Begehungsweise mit bindender Wirkung für das Betragsverfahren gegenüber dem Bekl. zu 2) festgestellt worden ist. Die Bindung, die ein Grundurteil nach § 318 ZPO entfaltet, ist jedenfalls – ebenso wie die Wirkung der materiellen Rechtskraft (§§ 322, 325 Abs. 1 ZPO) – grds. auf die an dem Verfahren beteiligten Parteien beschränkt (vgl. Wieczorek/Schütze/Rensen, ZPO, 3. Aufl., § 304 Rn 69; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., Vor § 322 Rn 52 und § 325 Rn 3). Da die Bekl. zu 1) an dem Adhäsionsverfahren nicht beteiligt war, vermag die dort ergangene Entscheidung ihr gegenüber mithin keine Bindungswirkung zu entfalten.

[11] d) Das im Adhäsionsverfahren gegen den Bekl. zu 2) ergangene Grundurteil ist für den Rechtsstreit des Kl. gegen die Bekl. zu 1) auch nicht deshalb bindend, weil diese als Haftpflichtversicherer des Bekl. zu 2) in Anspruch genommen wird. Das BG erwägt für die vorliegende Fallgestaltung eine entsprechende Anwendung der von der Rspr. entwickelten Grundsätze zur Bindungswirkung eines vorangegangenen Haftpflichtprozesses zwischen dem Geschädigten und dem VN für den nachfolgenden Deckungsprozess zwischen dem VN und dem VR. In dieser Fallgestaltung wird die Haftpflichtfrage grds. abschließend im Haftpflichtprozess entschieden (sog. Trennungsprinzip). Die – jedenfalls soweit es um den Haftungstatbestand geht – geltende Bindungswirkung verhindert, dass die im Haftpflichtprozess getroffene Entscheidung und auch deren Grundlagen nochmals zwischen dem VR und dem VN in Frage gestellt werden können (vgl. BGH, Urt. v. 30.9.1992 – IV ZR 314/91, BGHZ 119, 276, 278 m.w.N.). Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall, in dem der Haftpflichtversicherer nicht im Deckungsprozess von seinem VN, sondern im Wege der Direktklage durch den Geschädigten (§ 3 Nr. 1 PflVG a.F., jetzt § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG n.F.) in Anspruch genommen wird, nicht anwendbar.

[12] aa) Die für das Verhältnis zwischen Haftungsprozess und nachfolgendem Deckungsprozess geltende Bindungswirkung folgt aus dem Wesen der Haftpflichtversicherung und der dort gegebenen umfassenden Abwehrzuständigkeit des VR (Senatsurt. v. 13.12.1977 – VI ZR 206/75, BGHZ 71, 339, 344; BGH, Urt. v. 18.3.1992 – IV ZR 51/91, BGHZ 117, 345, 350 und v. 19.2.1959 – II ZR 171/57, VersR 1959, 256, 257; Reiff, VersR 1990, 113, 119 f.; Fetzer, VersR 1999, 793, 797; Gottwald/Adolphsen, NZV 1995, 129, 130; Hagen, NVersZ 2001, 341 f.). Kommt es zum Prozess über den Haftpflichtanspruch, so hat der VN die Prozessführung dem VR zu überlassen (§ 5 Nr. 4 S. 1 AHB; vgl. auch §§ 100 f. VVG n.F.). Der VR muss im Haftpflichtprozess die Interessen des Versicherten so wahren wie ein von diesem beauftragter Anwalt. Dem VN hingegen obliegt ein Anerkennungs- und Beweisverbot; er ist weitgehend den Weisungen des VR unterworfen (§ 5 Nr. 3 AHB). Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Haftpflichtversicherer allein die aus der Prüfung und Abwehr folgende Arbeitslast und Verantwortung trägt. Es wäre widersinnig, wenn der Haftpflichtanspruch in dem vom VR für den VN geführten Haftpflichtprozess bejaht würde, dieser aber im anschließenden Deckungsprozess di...

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