1. Die Verpflichtung des Geschäftsführers einer GmbH nach dem früher geltenden § 64 GmbHG (jetzt § 15a Abs. 1 InsO) stellte lediglich zu Gunsten der Gläubiger der GmbH ein Schutzgesetz gem. § 823 Abs. 2 BGB dar. Die Bundesanstalt für Arbeit gehörte jedoch nicht zum Kreis der geschützten Gesellschaftsgläubiger. Die Bundesanstalt wurde erst dadurch Gesellschaftsgläubigerin, dass sie Ansprüche der Arbeitnehmer auf Arbeitsentgelt, die den Anspruch auf Insolvenzgeld begründeten, kraft Gesetzes auf sich überleitete (vgl. dazu § 187 SGB III a.F.; OLG Saarbrücken NZG 2007, 105).
2. Der erfolgreiche Rückgriff der Bundesanstalt nach Zahlung des Insolvenzgeldes setzt nach der damit allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 826 BGB voraus, dass die Insolvenzverschleppung Ursache für die Verpflichtung zur Zahlung des Insolvenzgeldes geworden ist. Die Verpflichtung der Bundesanstalt zur Zahlung von Insolvenzgeld stellt auf die in § 183 SGB III aufgeführten Voraussetzungen ab, zu denen die Insolvenzverschleppung nicht gehört. Die Bundesanstalt für Arbeit übernimmt vielmehr rückständige Lohn- und Gehaltsforderungen für die letzten drei Monate vor der Insolvenzeröffnung. Ansprüche für die Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wie etwa bei Weiterbeschäftigung von Angestellten und Arbeitern des Insolvenzschuldners, sind Masseverbindlichkeiten und damit vorweg aus der Masse zu befriedigen (§55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO).
3. Würde man eine Beweiserleichterung zu Gunsten der Bundesanstalt annehmen, die für die Anspruchsvoraussetzung des § 826 BGB als Grundlage für den Regress gegen den GmbH-Geschäftsführerwegen wegen dessen verspäteter Insolvenzantragstellung ausreichte, hätte das zur Folge, dass die Bundesanstalt Ersatz für solche Aufwendungen beanspruchen könnte, die sie ohnehin – die verspätete Antragstellung "weggedacht" – gehabt hätte (vgl. BGHZ 175, 58 (649 Rn 25). Damit fehlt es an einem Zurechnungszusammenhang zwischen verspäteter Insolvenzantragstellung und Auslösung der Insolvenzgeldzahlung. Wäre Insolvenzgeld auch dann zu zahlen gewesen, wenn der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens rechtzeitig gestellt worden wäre, liegt es auf der Hand, dass ein Schadensersatzanspruch wegen verspäteter Insolvenzantragstellung nicht besteht (vgl. BGH NZG 2010, 114, 115 Rn 10). Dass bis auf den danach schwer darzulegenden und zu beweisenden Schaden infolge verspäteter Insolvenzantragssteilung die subjektiven Voraussetzungen des § 826 BGB vorliegen, entspricht der einhelligen Rspr. (vgl. BGHZ 175, 58, 62; BGH NJW 1989, 3277; OLG Frankfurt NZG 1999, 947, 948; OLG Saarbrücken NZG 2007, 105). Der Geschäftsführer, der den bevorstehenden Zusammenbruch der Gesellschaft erkennt, nimmt bei verzögerter Antragstellung eine Schädigung der Gläubiger billigend in Kauf und ist sich bewusst, dass er bald auch Lohn- und Gehaltsansprüche seiner Arbeitnehmer nicht mehr befriedigen kann. In der Regel wird der Geschäftsführer auch nicht den Vorwurf der Sittenwidrigkeit dadurch ausräumen können, dass er die Verzögerung der Antragstellung damit rechtfertigt, Sanierungsbemühungen vorzunehmen, wenn deren Erfolgsaussichten nicht realistisch waren (vgl. dazu BGH NJW 1989, 3277; OLG Saarbrücken NZG 2007, 105, 106). Da sich die Haftung des Geschäftsführers wegen verspäteter Insolvenzantragstellung ohnehin mangels eines zurechenbaren Schadens kaum darlegen und beweisen lässt, sind die Haftungsgefahren für den Geschäftsführer deutlich vermindert (vgl. Trendelenburg, BB 2008, 520).
RiOLG a.D. Heinz Diehl
zfs 5/2014, S. 262 - 264