BGB § 346 Abs. 2 S. 2 § 433
Leitsatz
Der zur Rückabwicklung des Kaufvertrags über ein Gebrauchtfahrzeug berechtigte Käufer kann vom Verkäufer Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich von Nutzungsvorteilen verlangen, deren Höhe sich im Regelfall nach der anerkannten Formel für die zeitanteilige lineare Wertminderung (Gebrauchtkaufpreis x zurückgelegte Kilometer: erwartbare Restlaufleistung) berechnet, wobei allerdings der verbliebene Zeitwert des Kfz die Obergrenze ("Kappungsgrenze") für den Ersatz von Nutzungsvorteilen darstellt.
OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.7.2014 – I–3 U 39/12
Sachverhalt
Die Kl. verfolgt nach Rückgabe des von ihr erworbenen Kfz von der Bekl. die Erstattung des Kaufpreises abzüglich Nutzungsentschädigung sowie Schadensersatz. Die Kl. kaufte im Jahre 2005 einen gebrauchten Dienstwagen mit einer Laufleistung von 14.600 km zu einem Kaufpreis von 63.740 EUR mit der Angabe "unfallfrei". Die Kl. verkaufte im Jahre 2011 das Kfz mit der inzwischen erreichten Laufleistung von 160.000 km zu einem Kaufpreis von 10.400 EUR an einen Weißrussen. Dieser trat von dem Kaufvertrag zurück, weil er einen erheblichen Unfallschaden auf der linken Fahrzeugseite festgestellt hatte. Die Kl. erstattete den Kaufpreis und die Kosten für Hotel und Flug von 283 EUR.
Nachdem die Kl. den Kaufpreis zunächst gegenüber der Bekl. wegen arglistiger Täuschung angefochten hatte und von der Bekl. unter Anrechnung einer von ihr bezifferten Nutzungsentschädigung zur Zahlung von 24.721 EUR aufgefordert hatte, stellte sie das Fahrzeug am 4.7.2011 bei der Bekl. ab. Die Bekl. forderte mit Schreiben vom folgenden Tag die Kl. auf, das Kfz wieder abzuholen und wies in der Folgezeit darauf hin, dass von einer Nutzungsentschädigung von 72.549 EUR auszugehen sei. Die Parteien einigten sich darauf, dass der Rücktritt der Kl. wirksam erfolgt sei. Sie stritten sich allein noch über die Höhe der Nutzungsentschädigung. Das LG hat nach Beweisaufnahme zu der Behauptung der Kl., das Kfz habe während ihrer Nutzungszeit keinen Unfall erlitten, die Klage abgewiesen. Obwohl die Parteien einen stillschweigenden Aufhebungsvertrag geschlossen hätten, könne die Kl. die Rückgewähr des Kaufpreises nicht verlangen, weil die gezogene Nutzung den Kaufpreis weit überstiege. Schadensersatz könne die Kl. nicht verlangen, weil sie nicht bewiesen haben, dass das Kfz bei der Übergabe an die Kl. einen Sachmangel aufgewiesen habe. Mit der Berufung verfolgt die Kl. die Verurteilung der Bekl. zur Erstattung des Werts des Kfz.
Nach der Einholung eines Sachverständigengutachtens über den Wert des Kfz zum Zeitpunkt der Rückgabe an die Bekl. im Juli 2011 ist das BG von einem überwiegenden Erfolg der Berufung der Kl. ausgegangen.
2 Aus den Gründen
" … Die Kl. kann von der Bekl. Zahlung von 19.323 EUR nebst Zinsen verlangen. Die weitergehende Klage auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist allerdings nicht gerechtfertigt."
Die Parteien haben sich – wie schon das LG angenommen hat – auf eine Rückabwicklung des Kaufvertrags aus dem Jahre 2005 geeinigt. Die Bekl. hat ausdrücklich im Verlaufe des Rechtsstreites erklärt, der Rücktritt solle akzeptiert werden, der Streit betreffe nur die Höhe der Nutzungsentschädigung.
So hat es der Senat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 8.5.2013 dargelegt und die Parteien sind dem nicht entgegen getreten.
Da die Parteien bei ihrer Einigung keine Verständigung darüber haben herbeiführen können, wie die Nutzungsvorteile für die Kl. zu berechnen und in welcher Höhe sie anzurechnen sein sollen, ist diese Regelungslücke durch Rückgriff auf das dispositive Recht und die hiernach anzuwendenden Grundsätze zu schließen.
Hiernach gilt:
Bei der Berechnung der Gebrauchsvorteile ist i.d.R. davon auszugehen, dass der Wert einer Sache durch die Dauer ihrer Nutzbarkeit bis zum Eintritt der Gebrauchsuntauglichkeit bestimmt wird. Maßgeblich ist mithin der “Wertverzehr‘. Ausgangspunkt der Berechnung ist der im Kaufpreis verkörperte objektive Wert der Sache. Praktisch gehandhabt wird das bei Kfz im Regelfall mit der anerkannten Formel für die zeitanteilige lineare Wertminderung, die das LG angewandt hat (Gebrauchtkaufpreis x zurückgelegte Kilometer : erwartbare Restlaufleistung).
Diese Bestimmung der Gebrauchsvorteile nach dem linearen Wertschwund versagt allerdings, wenn die herauszugebende Sache durch Nutzung keinen messbaren Wertverlust erleidet, namentlich bei Grundstücken. Seit 2006 ist die Rspr. des BGH dazu im Rahmen der Bemessung von Vorteilsausgleichung bei Schadenersatzansprüchen uneinheitlich (BGH NJW 2006, 53 ermittelt die Nutzungsvorteile zeitanteilig linear, BGH, NJW 2006, 1582 nach dem objektiven Mietwert/üblichen Mietzins; vgl. insgesamt MüKo/Gaier, 6. Aufl. 2012, § 346 BGB, Anm. 26 ff. m.N.)
Andererseits bildet der Kaufpreis nach § 346 Abs. 2 S. 2 BGB die Obergrenze der Nutzungsvergütung; mehr als den Kaufpreis war der Käufer nicht bereit für die Kaufsache und die aus ihr zu ziehenden Gebrauchsvorteile zu zahlen, mehr kann der Verkäufer als Gegenleistung nicht erwarten. Berechnet man hi...