AHB § 1 Ziff. 1.1., 4.9.4., 5.2
Leitsatz
1. Werden aufgrund frachtrechtlicher Vorschriften Schadensersatzansprüche gegen einen Versender geltend gemacht, so handelt es sich um gesetzliche Haftpflichtversicherungsbestimmungen privatrechtlichen Inhalts ungeachtet des Umstands, dass der Auftragnehmer seinerseits aufgrund polizeirechtlicher oder wegerechtlicher Bestimmungen in Anspruch genommen worden ist.
2. Zu den Grenzen des Ausschlusses von Ansprüchen aufgrund von Abreden, die über die gesetzliche Haftpflicht des VN hinausgehen.
3. Zur Auslegung von Deckungserweiterungen bei Beauftragung von Fuhrunternehmen.
(Leitsätze der Schriftleitung)
OLG Saarbrücken, Urt. v. 21.1.2015 – 5 U 20/14
Sachverhalt
Die Kl. verlangt Deckungsschutz aus einer Betriebshaftpflichtversicherung. Die Kl. unterhält bei der Bekl. eine Betriebshaftpflichtversicherung, der die GKA AHB 2002.1 Global-IHV H 1000:12 zugrunde liegen. Unter Ziffer 4.9.4 AVB ist vereinbart: "Mitversichert sind – in teilweiser Änderung von Ziff. 5.2 – Ansprüche wegen Schäden, die aus der Beauftragung eines Kraft- oder Wasserfahrzeug-Fuhrunternehmers entstehen. Nicht versichert ist die persönliche Haftpflicht des Fuhrunternehmers sowie seiner Betriebsangehörigen." Außerdem unterhält die Kl. bei der Bekl. eine Transportversicherung.
Nach dem Auslaufen von Fischöl beim Transport durch einen Subunternehmer verlangte die Stadt H von diesem per Bescheid v. 24.8.2011 Kostenerstattung aufgrund Polizeirechts wegen durchgeführter Maßnahmen der Gefahrenabwehr i.H.v. 91.861,61 EUR. Die H setzte aufgrund wegerechtlicher Vorschriften gegen die Kl. einen Betrag i.H.v. 1.184 EUR wegen einer Straßenverunreinigung fest.
Die Kl. hat behauptet, die Firma S beauftragt zu haben, Fischöl, welches eine chilenische Firma nach H geliefert hatte, nach B zu transportieren. Auf der Fahrt durch einen Subunternehmer der Firma S, die Firma L Transporte GmbH, sei es am 5.10.2010 zu einem Auslaufen des Öls und einer Verunreinigung einer Straße gekommen, weil der zu transportierende Tank nicht ordnungsgemäß gewesen sei. Die Firma S verlange nun von ihr Ersatz des Schadens, den die Stadt H dem Subunternehmer in Rechnung gestellt habe und der gegen sie geltend gemacht werde.
2 Aus den Gründen:
" … Der Kl. steht gegen die Bekl. ein Anspruch auf Deckungsschutz aus § 1 AHB, Ziffer 1.1, 4.9.4, 5.2 AVB zu. Die Anschlussberufung der Kl. hat überwiegend Erfolg."
(2.) Die Bekl. schuldet Deckungsschutz für das Schadensereignis v. 5.10.2010 aus § 1 AHB, Ziffer 1.1, 4.9.4, 5.2 AVB.
Nach § 1 Nr. 1 AHB schuldet die Bekl. Versicherungsschutz für den Fall, dass die Kl. wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadenereignisses, das den Tod, die Verletzung oder Gesundheitsschädigung von Menschen (Personenschaden) oder die Beschädigung oder Vernichtung von Sachen (Sachschaden) zur Folge hatte, für diese Folgen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Versichertes Risiko ist nach Ziff. 1.1 der AVB die gesetzliche Haftpflicht der Kl. für alle betrieblichen Aktivitäten, die sich im Zusammenhang mit dem im Versicherungsschein/Nachtrag genannten Unternehmenscharakter ergeben. Dies ist die Herstellung und der Vertrieb von Omega-3 Fettsäurekonzentrat, sowie die Herstellung und der Vertrieb von Omega-3-Kapseln.
Aufgrund der von der Kl. vorgelegten Unterlagen, insb. dem Schreiben der Firma S v. 25.7.2011 sowie der vorgelegten Klageschrift v. 20.12.2013, steht fest, dass die Firma S wegen des am 5.10.2010 in H ausgelaufenen Fischöls die Kl. als Absenderin und Vertragspartnerin eines Frachtvertrags auf Schadensersatz in Anspruch nimmt. Das pauschale Bestreiten der Bekl. ohne substantiierten Gegenbeweis ändert daran nichts.
Diese Inanspruchnahme der Kl. durch die Firma S nach § 414 Abs. 1 Nr. 1 HGB stellt eine Inanspruchnahme aufgrund einer gesetzlichen Haftpflichtbestimmung privatrechtlichen Inhalts dar. Dem steht nicht entgegen, dass die den Schaden unmittelbar verursachende Subunternehmerin der Firma S, die Firma L, von der Stadt H aufgrund öffentlichen Polizeirechts durch Bescheid v. 24.6.2011 wegen der Kosten in Anspruch genommen wurde, die zur Beseitigung des ausgelaufenen Öls erforderlich waren. Um diesen öffentlich-rechtlichen Leistungsanspruch, der von § 1 AHB nicht erfasst wird (BGH VersR 2007, 200 … ), geht es nicht. Dieser öffentlich-rechtliche Leistungsanspruch wurde gegen die Kl. nicht geltend gemacht. Die Kl. wird als Vertragspartnerin des mit der Firma S abgeschlossenen Frachtvertrags alleine aufgrund der privatrechtlichen Norm des § 414 HGB in Anspruch genommen. Auf diese Inanspruchnahme der Kl. selbst als Folge des eingetretenen Sachschadens kommt es nach dem Wortlaut von § 1 Nr. 1 AHB an. Der durchschnittliche VN kann nicht erkennen, wie die Bekl. argumentiert, dass es bereits dann an einer Inanspruchnahme aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts fehlt, wenn er von einem Dritten aufgrund privatrechtlicher Haftpfli...