" … Die angefochtene Fahrerlaubnisentziehung dürfte hier aufgrund des noch andauernden strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen des Berücksichtigungsverbots des § 3 Abs. 3 StVG (noch) nicht zulässig sein:"
Zwar ist nach § 3 Abs. 1 S. 1 StVG i.V.m § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c) StVG und § 46 Abs. 1 FeV die Fahrerlaubnisbehörde verpflichtet, eine Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn der Inhaber sich als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet erweist. Gemäß § 46 Abs. 1 S. 2 FeV gilt dies insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 FeV vorliegen. Die Entziehung der Fahrerlaubnis stellt dabei eine gebundene Entscheidung dar; ein Ermessensspielraum wird der Behörde nicht eingeräumt. Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV stellt es für den Regelfall einen die Fahreignung ausschließenden Mangel dar, wenn der Inhaber einer Fahrerlaubnis Betäubungsmittel i.S.d. BtMG einnimmt. Hiervon ist im Fall der ASt. auch auszugehen. Denn sie muss das Betäubungsmittel Kokain (Anlage 3 zu § 1 Abs. 1 BtMG) aufgenommen haben, da dieses sowie dessen Abbauprodukt Benzoylecgonin in der am 23.3.2014 entnommenen Blutprobe nachgewiesen werden konnte.
Jedoch steht – jedenfalls gegenwärtig – der Entziehung der Fahrerlaubnis im Fall der ASt. das Berücksichtigungsverbot des § 3 Abs. 3 StVG entgegen. Danach darf die Fahrerlaubnisbehörde einen Sachverhalt, der Gegenstand eines Strafverfahrens ist, in einem Entziehungsverfahren nicht berücksichtigen, solange gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis ein Strafverfahren anhängig ist, in dem die Entziehung der Fahrerlaubnis in Betracht kommt. Diese Vorschrift steht in engem Zusammenhang mit der Vorschrift des § 3 Abs. 4 StVG, wonach die Fahrerlaubnisbehörde, wenn sie in einem Entziehungsverfahren einen Sachverhalt berücksichtigen will, der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis gewesen ist, vom Inhalt des Urteils insoweit nicht abweichen darf, als es sich auf die Feststellung des Sachverhalts oder die Beurteilung der Schuldfrage oder die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bezieht.
Beide Vorschriften dienen dazu, Doppelprüfungen und sich widersprechende Entscheidungen der Strafgerichte und der Fahrerlaubnisbehörden zu vermeiden. Es soll verhindert werden, dass derselbe einer Eignungsbeurteilung zugrundeliegende Sachverhalt unterschiedlich bewertet wird; die Beurteilung durch den Strafrichter soll in diesen Fällen den Vorrang haben (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 28.6.2012 – 3 C 30.11, [zfs 2012, 592 =] juris Rn 36). § 3 Abs. 3 und 4 StVG dienen mithin demselben Regelungsziel. Das Berücksichtigungsverbot nach § 3 Abs. 3 StVG stellt dabei ein vorübergehendes Verfahrenshindernis dar, das nach Abschluss des Strafverfahrens in das Verbot des § 3 Abs. 4 StVG übergeht (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.6.2012, a.a.O.). Dabei stehen beide Regelungen nicht nur der Entziehung der Fahrerlaubnis, sondern auch vorbereitenden Aufklärungsmaßnahmen wie der Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens entgegen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 19.8.2013 – 10 S 1266/13, juris Rn 10 f. m.w.N.).
Im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Fahrerlaubnisentziehung v. 20.6.2014 war das aufgrund des Vorfalls am 23.3.2014 eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen die ASt. wegen des Verdachts einer Straßenverkehrsgefährdung nach § 315c StGB sowie des Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 StVG noch anhängig (und ist auch gegenwärtig noch nicht abgeschlossen). In diesem Verfahren kommt auch weiterhin die Entziehung der Fahrerlaubnis jedenfalls nach § 69 Abs. 1 StGB in Betracht. Daher steht § 3 Abs. 3 StVG der Entziehung der Fahrerlaubnis entgegen.
Etwas anderes ergibt sich hier auch nicht daraus, dass zwischenzeitlich die Staatsanwaltschaft mitgeteilt hat, dass nach einem nunmehr vorliegenden Gutachten von einer Strafbarkeit nach § 315c StGB nicht mehr auszugehen ist, so dass sich die Ermittlungen nur noch auf den Vorwurf des Fahrens ohne Fahrerlaubnis gem. § 21 StVG beziehen. Denn zum einen ist das Fahren ohne Fahrerlaubnis eine typische Verkehrsstraftat i.S.d. § 69 Abs. 1 StGB, die wegen der fehlenden Kraftfahreignung regelmäßig die Entziehung der Fahrerlaubnis bzw. die Verhängung einer isolierten Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis rechtfertigt (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Aufl., § 21 StVG Rn 19). Zum anderen kommt es für das Berücksichtigungsverbot des § 3 Abs. 3 StVG allein darauf an, ob sich die strafrechtlichen Untersuchungen wegen eines bestimmten Lebenssachverhalts auf eine Straftat erstrecken, die ihrer Art nach die Entziehung der Fahrerlaubnis zu rechtfertigen vermag, d.h. ob es um eine Straftat i.S.d. § 69 StGB geht, und ob das förmliche Ermittlungsverfahren noch andauert. Es ist dabei unerheblich, ob eine Fahrerlaubnisentziehung im konkreten Fall mehr oder weniger wahrscheinlich ist. Die Bindungswirkung des § 3 Abs. 3 StVG besteht dann ab der Einleitung des Strafverfahrens, d.h. ab diesem Zeitpunkt ist der Vorgang, auf...