Insbesondere bei der fiktiven Schadensabrechnung nicht unproblematisch ist die Abgrenzung von § 249 Abs. 2 BGB und § 254 Abs. 2 BGB. Die rechtliche Bedeutung dieser Frage liegt auf der Hand: Im Rahmen des § 249 Abs. 2 BGB trägt der Geschädigte die Beweislast, für die Voraussetzungen des § 254 Abs. 2 BGB ist der Schädiger beweisbelastet. Um es plastisch zu machen, ein fiktiver Fall zur fiktiven Schadensabrechnung:
Der Geschädigte rechnet gegenüber dem Schädiger auf Gutachtenbasis ab. Danach beläuft sich der vom Schädiger zu ersetzende Reparaturaufwand auf 5.000 EUR. Der Schädiger wendet nun ein, die dem Gutachten zugrundeliegenden Stundenverrechnungssätze seien zu hoch. Zugleich verweist er auf einen konkreten Werkstattbetrieb, bei dem die fachgerechte Instandsetzung vor diesem Hintergrund nur 4.000 EUR koste. Der Geschädigte bestreitet nun, dass im vom Schädiger benannten Betrieb tatsächlich nur die behaupteten Stundenverrechnungssätze verlangt werden. Der Tatrichter erhebt deshalb darüber Beweis durch Vernehmung des Betriebsinhabers. Dieser bestätigt die Behauptungen des Schädigers zwar, das Gericht ist von seiner Glaubwürdigkeit aber nicht überzeugt. Trägt nun der Geschädigte die Beweislast dafür, dass die vom Schädiger genannte Alternative nicht besteht? Oder trägt der Schädiger die Beweislast dafür, dass sie besteht? Im ersten Fall hätte das Gericht dem Geschädigten 4.000 EUR, im zweiten Fall 5.000 EUR zuzusprechen.
Wie oben dargestellt: Wenn der VI. Zivilsenat im Zusammenhang mit der Verweisungsmöglichkeit des Schädigers auch die Beweislast im Fokus hatte, hat er sich – soweit ersichtlich – immer für die zweite Variante entschieden und dabei die Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 BGB bemüht. In Entscheidungen, die sich nicht mit der Beweislastverteilung befassen, taucht die Frage nach der Verweisungsmöglichkeit des Schädigers mitunter aber auch im Rahmen der Erforderlichkeit des § 249 Abs. 2 BGB auf. So findet sich etwa in der oben vorgestellten Entscheidung vom 15.7.2014 (VI ZR 313/13), in der sich der Senat mit der Frage nach einer zeitlichen Grenze für die Geltendmachung der Verweisung befasste, folgende Aussage (Fettdruck nicht im Original):
"Entscheidend ist, dass in solchen Fällen der objektiv zur Herstellung erforderliche Betrag ohne Bezug zu tatsächlich getätigten Aufwendungen zu ermitteln ist. [ … ] Hinweise des Schädigers auf Referenzwerkstätten dienen hier nur dazu, der in dem vom Geschädigten vorgelegten Sachverständigengutachten vorgenommenen Abrechnung entgegenzutreten. Im Hinblick darauf muss auch der Geschädigte [ … ] mit der Möglichkeit rechnen, dass die Erforderlichkeit des vom Gutachter ermittelten Geldbetrags noch im Prozess von der Gegenseite bestritten wird und sich bei der Überzeugungsbildung des Gerichts, ob der verlangte Geldbetrag" der erforderliche Geldbetrag im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB ist, ein geringerer zu ersetzender Betrag ergibt [ … ].“
Danach ist die Frage, ob der Schädiger den Geschädigten auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit verweisen kann, also doch schon im Rahmen der Bestimmung des erforderlichen Geldbetrags i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zu beantworten. Denkt man diesen Ansatz zu Ende, träfe die Beweislast auch insoweit den Geschädigten.
Welcher Ansatz ist nun der richtige? Vieles spricht m.E. für die Lösung über § 249 Abs. 2 BGB. Es ist schon nicht klar, wo § 254 Abs. 2 BGB in solchen Fällen "andocken" soll. Denn § 254 Abs. 2 BGB ist eine Sanktion für die Verletzung der Obliegenheit des Geschädigten, den Schaden möglichst gering zu halten. Wird aber – wie im Falle der fiktiven Schadensabrechnung – der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz rein objektiv und gerade unabhängig von den vom Geschädigten ergriffenen Maßnahmen zur Schadensbeseitigung bestimmt, wie soll der Geschädigte dann in Bezug auf die Bemessung des erforderlichen Geldbetrags gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen haben? Auch ein anderer denkbarer Ansatz dürfte im Ergebnis nicht recht funktionieren: Man könnte sich überlegen, mit der Vorstellung einer fiktiven Verletzung der Schadensminderungspflicht zu arbeiten, also mit dem Gedanken, dass § 254 Abs. 2 BGB der Ersatzfähigkeit eines Geldbetrags entgegensteht, der vom Geschädigten nur dann aufzuwenden wäre, wenn dieser gegen seine Schadensminderungspflicht verstieße. Das mag sich auf den ersten Blick vielleicht vernünftig anhören, auf den zweiten Blick verliert auch dieser Ansatz aber an Überzeugungskraft. Denn vor den § 254 Abs. 2 BGB hat der Gesetzgeber den § 249 Abs. 2 S. 1 BGB gesetzt. Erst wenn feststeht, was der nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zur Schadensbeseitigung erforderliche Betrag ist, lässt sich die Frage beantworten, ob der Betrag deshalb ausnahmsweise nicht erstattungsfähig ist, weil der Geschädigte gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen hat. Schon aus logischen Gründen dürfte man kaum annehmen können, dass ein Geldbetrag zur Schadensbeseitigung erforderlich ist, der bei der (gedachten) Schadensbese...