1. Der VR kann auch dann zur Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung berechtigt sein, wenn der VN bei dem Vertragsschluss Umstände verschwiegen hat, nach denen der VR nicht gem. § 19 Abs. 1 S. 1 VVG n.F. in Textform gefragt hat.

2. Über die Anzeigepflicht aus § 19 Abs. 1 S. 1 VVG hinaus kann sich – aus Treu und Glauben – auch eine Aufklärungspflicht des VN in Bezug auf nicht oder nicht ordnungsgemäß in Textform erfragte Umstände ergeben. Es kann dem VN jedoch i.d.R. nicht als Verstoß gegen Treu und Glauben angelastet werden, wenn er den Fragenkatalog des VR als abschließend ansieht und keine weitergehenden Überlegungen dazu anstellt, welche Umstände für den VR darüber hinaus von Interesse sein könnten. Nach der gesetzlichen Wertung obliegt zunächst dem VR die Mitteilung der Umstände, die er für gefahrerheblich ansieht. Eine spontane Anzeigepflicht besteht daher nur bei Umständen, die zwar offensichtlich gefahrerheblich, aber so ungewöhnlich sind, dass eine auf sie abzielende Frage nicht erwartet werden kann.

3. Bei dem Abschluss einer Pflegeversicherung für ein Kleinkind besteht keine Aufklärungspflicht hinsichtlich einer Entwicklungsverzögerung, wenn der VR hiernach in seinem umfangreichen Fragenkatalog nicht gefragt hat, obwohl diese bereits in seinem System als Ablehnungsgrund hinterlegt war.

OLG Celle, Urt. v. 9.11.2015 – 8 U 101/15

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?