Zwar kann auch für das Überqueren einer durch Rotlicht gesperrten Kreuzung ein Vorrang eines Dienstfahrzeugs durch rechtzeitiges Einschalten von Blaulicht und Martinshorn geschaffen werden (st. Rspr., BGHZ 63, 327; BGH VerkMitt. 1998, 90). Dieses Wegerecht wird aber erst durch die Signale "Martinshorn und Blaulicht" eines Einsatzfahrzeugs ausgelöst und das Gebot nach § 38 Abs. 1 S. 2 StVO, freie Bahn zu schaffen, ist von den anderen Verkehrsteilnehmern unbedingt und ohne Prüfung des Wegerechts zu befolgen (KG VerkMitt. 1998, 14). Das bedeutet jedoch nicht, dass der Fahrer eines Dienstfahrzeugs "blindlings" oder "auf gut Glück" in eine Kreuzung bei rotem Ampellicht einfahren darf. Er darf vielmehr auch unter Inanspruchnahme von Sonderrechten bei rotem Ampellicht erst dann in die Kreuzung einfahren, wenn er den sonst bevorrechtigten Verkehrsteilnehmern rechtzeitig zu erkennen gegeben hat, solche Rechte in Anspruch nehmen zu wollen und sich überzeugt hat, dass ihn alle anderen Verkehrsteilnehmer wahrgenommen und sich auf seine Absicht eingestellt haben. Erst unter diesen Voraussetzungen darf er darauf vertrauen, dass ihm von den anderen Verkehrsteilnehmern freie Fahrt gewährt wird (§ 35 Abs. 8 StVO; vgl. BGH, a.a.O.; KG, a.a.O.). Der Fahrer des Einsatzfahrzeugs, der bei für ihn rotem Ampellicht eine Kreuzung überqueren will, muss sich vorsichtig in diese vortasten, um sich auf diese Weise davon zu überzeugen, dass sämtliche Teilnehmer des Querverkehrs die Signale wahrgenommen haben (KG VerkMitt. 1985, 4 [Ls]). Bei einer unübersichtlichen Kreuzung kann das sogar die Verpflichtung bedeuten, nur mit Schrittgeschwindigkeit einzufahren (KG VerkMitt. 1982, 37). Angesichts seiner durch die besondere Gefahrenlage verstärkten Sorgfaltspflicht kann es im Einzelfall für den Fahrer des Einsatzfahrzeugs durchaus zumutbar sein, sein Fahrzeug fast zum Stillstand abzubremsen, um auf diese Weise eine hinreichende Übersicht über die Verkehrslage zu gewinnen (KG v. 24.9.1990 – 12 U 4980/89). Die Verpflichtung, dem Einsatzfahrzeug freie Bahn zu verschaffen, trifft die anderen Verkehrsteilnehmer zudem erst, nachdem sie das Blaulicht und das Martinshorn wahrgenommen haben oder bei gehöriger Aufmerksamkeit hätten wahrnehmen können (BGH VersR 1975, 380). Wegen des Ausnahmecharakters der Regelung des § 38 Abs. 1 StVO trifft nach der Rechtsprechung des BGH den Halter des Einsatzfahrzeugs die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, aus denen er die Berechtigung herleitet, das sonst bestehende Vorrecht anderer Verkehrsteilnehmer zu "missachten" (BGH VersR 1962, 834, 836).