1. Ob sich Gericht und Parteien nach Durchführung der Beweisaufnahme in einem prozessualen Niemandsland oder auch nicht befinden (vgl. hierzu Greger, MDR 2016, 1057), richtet sich nach §§ 285, 279 Abs. 3 ZPO. Die Erörterungspflicht des Gerichts nach § 279 Abs. 3 ZPO und die Verhandlungspflicht der Parteien nach § 285 ZPO beziehen sich auf das Ergebnis der Beweisaufnahme und sind damit hinsichtlich des vorgegebenen Prozessstoffes kongruent (Greger, a.a.O.). Die mit § 279 Abs. 3 ZPO bezweckten Verbesserungen der Kommunikation zwischen Gericht und Parteien und die Steigerung der Effektivität des Rechtsschutzes (vgl. Greger, a.a.O. m.w.N.) verstehen unter dem zu erörternden Ergebnis der Beweisaufnahme die aus den erhobenen Beweise zu ziehenden Schlussfolgerungen (vgl. Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl. 2013, § 279 Rn 19; Greger, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl., 2016, Rn 5; Gehrlein, MDR 2003, 421, 423; Greger, MDR 2016, 1057, 1058). Sowohl die Erörterung des erhobenen Beweises nach § 279 Abs. 3 ZPO als auch die Verhandlung über das Beweisergebnis sind im Protokoll zu vermerken (vgl. BGH NJW 2004, 1732; Greger, in: Zöller a.a.O. § 279 Rn 8). Bei der Erörterung nach § 279 Abs. 3 ZPO ist lediglich zu vermerken, dass sie stattgefunden hat, nicht aber der Inhalt (vgl. Greger, MDR 2016, 1057, 1060). Da die Parteien auf die Protokollierung des Verhandlungsergebnisses verzichten können, bedarf es keiner Aufnahme des Inhalts der Erörterung (vgl. BGH NJW 1974, 2322). Fehlt im Protokoll eine Aufnahme der Erörterung, kann selbst dann, wenn eine solche stattgefunden haben sollte, ein Verfahrensfehler vorliegen. Ohne die – anzunehmende – Beweiserörterung nach § 285 ZPO war die Partei in ihrem rechtlichen Gehör verletzt und damit das Beweisergebnis nicht verwertbar (vgl. BGH NJW 2012, 2354 m.w.N.). Das hat zur Folge, dass der Rechtsstreit auf die Lage vor der Anordnung der Beweisaufnahme zurückgeführt wird und neue Beweisangebote zulässig werden.
Der "Verlust" von Arbeitsergebnissen von Gericht und Parteien kann dadurch verhindert werden, dass entsprechend dem Vorschlag von Greger (MDR 2016, 1057, 1060) folgender Passus im Protokoll aufgenommen wird:
"Das Beweisergebnis wurde mit den Parteien erörtert. Sie erhielten Gelegenheit hierüber unter Darlegung des Streitverhältnisses zu verhandeln."
Voraussetzung für diese inhaltsfreie Wiedergabe der Verhandlung ist aber die Einigung der Parteien auf den Inhalt der Verhandlung (vgl. BGH NJW 2004, 1732).
2. Die Entscheidung des BGH befasst sich mit der Konstellation, dass eine Erörterung nach § 279 Abs. 3 ZPO stattgefunden hatte und die Tatsache der Erörterung in dem Protokoll ohne Wiedergabe des Inhalts der Erörterung aufgenommen worden ist. Anders als bei der tatsächlich fehlenden oder aufgrund fehlender Aufnahme in das Protokoll zu unterstellender fehlender Verhandlung nach § 285 ZPO, auf die auch nicht verzichtet worden ist, hatte die Nichtaufnahme des Inhalts der Erörterung nach § 279 Abs. 3 ZPO keine Auswirkungen auf den Bestand des Urteils. Lag im Zusammenhang mit der Verhandlung nach § 285 ZPO eine unzulängliche Protokollierung vor, genügte für den Erfolg des Rechtsmittels, dass nicht ausgeschlossen werden konnte, dass die Verhandlung zu einem anderen Ergebnis der Beweisaufnahme geführt hätte (vgl. BGH ZMR 2007, 141; BGH NJW 2012, 2354). Eine im Widerspruch zu dem Inhalt der Beweisaufnahme stehende Überraschungsentscheidung begründete weiterhin einen Verfahrensmangel, war hierauf nicht in dem Protokoll hingewiesen worden (vgl. BGH, Beschl. v. 6.3.2006 – IV ZR 146/05).
Eine solch weitgehende Wirkung für den Bestand des Urteils ist mit einer fehlenden inhaltlichen Erörterung nach § 279 Abs. 3 ZPO nicht verbunden. Schon die Einschränkung der Erörterungspflicht durch die Aufnahme des Passus "soweit möglich" in § 279 Abs. 3 ZPO spricht gegen eine in jedem Falle anzustellende inhaltliche Erörterung und deren Mitteilung gegenüber den Parteien. Gerade bei komplexen Beweiswürdigungen kann das Gericht oft nicht aus dem Stand eine belastbare, nach eingehender Prüfung auch haltbare Einschätzung der Beweiswürdigung abgeben. Der BGH verhindert mit seiner Festlegung auf die begrenzten Zwecke des § 279 Abs. 3 ZPO, dass sich die Vorschrift durch die Notwendigkeit einer Vertagung zur Prüfung und alsdann zur Mitteilung der Güte der Beweisaufnahme prozessverlängernd auswirkt (vgl. auch Greger, MDR 2016, 1057, 1060). Die Auffassung des BGH, es sei nicht Zweck des § 279 Abs. 3 ZPO, der nach Einschätzung des Gerichts in der Beweisaufnahme erfolglosen Partei Gelegenheit zu geben, neue Beweisanträge zu stellen, ist von dem IV. Zivilsenat als Zweck des § 279 Abs. 3 ZPO umschrieben worden (BGH, Beschl. v. 25.1.2012 – IV ZR 230/11, Rn 16). Die Klärung dieses Widerspruchs nach § 132 GVG wäre danach erforderlich gewesen.
RiOLG a.D. Heinz Diehl
zfs 5/2017, S. 271 - 273