BGB § 252 § 823 Abs. 1 § 842; ZPO § 287
Leitsatz
a) Eine Berufungsbegründung bedarf hinsichtlich jedes einzelnen teilbaren Streitgegenstands einer auf den konkreten Streitfall zugeschnittenen Angabe, welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe der Berufungsführer den entscheidungserheblichen Punkten entgegensetzt.
b) Wird ein Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH bei einem Unfall mit der Folge einer Arbeitsunfähigkeit verletzt, ist ein ersatzfähiger Erwerbsnachteil nur dann anzunehmen, wenn der Unfall konkret zu einer Einbuße bei dem Geschäftsführergehalt oder einem Vermögensschaden der GmbH geführt hat.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG München, Urt. v. 15.9.2017 – 10 U 739/16
Sachverhalt
Der Kl., Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH, wurde bei einem Verkehrsunfall, für den die Bekl. in voller Höhe haften, verletzt. U.a. machte er einen Erwerbsschaden sowie die Feststellung der Ersatzpflicht des Schädigers und dessen Haftpflichtversicherers geltend. Unfallbedingt war der Kl. an 35 Arbeitstagen ausgefallen. Das LG bestimmte den ersatzfähigen Erwerbsschaden durch Ansetzung des Jahresverdiensts des Kl. an 220 Arbeitstagen, bestimmte hieraus den Tagesverdienst und durch Multiplikation mit der Zahl der Ausfalltage den von ihm angenommenen Erwerbsschaden.
Wegen fehlender Begründung wurde die Berufung der Bekl. hinsichtlich des zuerkannten Feststellungsbegehrens als unzulässig verworfen, im Übrigen der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz des Erwerbsschadens verneint.
2 Aus den Gründen:
[17] "… 3. Eine Berufungsbegründung bedarf jedoch – hinsichtlich jedes einzelnen von teilbaren Streitgegenständen (§ 260 ZPO) – einer aus sich heraus verständlichen, auf den konkreten Streitfall zugeschnittenen Angabe, welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe der Berufungsführer den entscheidungserheblichen Punkten entgegen setzen will (BGH NJW-RR 2015, 511 = VersR 2015, 728). Solche Angaben fehlen jedoch vollständig hinsichtlich des Streitgegenstands des Feststellungsausspruchs: Die Bekl. lässt insoweit jegliche Berufungsrüge und Stellungnahme vermissen, und lässt somit nicht erkennen, warum bei unstreitigen Unfallverletzungen die Feststellung der Ersatzpflicht für künftig mögliche Schäden fehlerhaft sein könnte."
[18] 4. Soweit die Bekl. ihren Berufungsantrag ergänzen und die Berufungsbegründungsschrift im Sinne einer nur beschränkten Berufungseinlegung auslegen will (…), ist dem nicht zu folgen. Zunächst ist der Wortlaut des Antrags eindeutig: Das Ersturteil solle aufgehoben und die Klage abgewiesen werden. Nachdem im Ersturteil Leistungs- und Feststellungsansprüche zuerkannt wurden, lässt sich eine vollständige Klageabweisung nicht damit vereinbaren, dass der Feststellungsanspruch nicht beanstandet werde, also rechtskräftig werden solle. Darüber hinaus lässt sich eine Einschränkung des Berufungsumfangs auch dem Text der Berufungsbegründung nicht zuverlässig entnehmen, denn die Bekl. erwähnt zwar, dass das erstinstanzliche Urteil wegen des Verdienstausfallschadens angegriffen werde, äußert aber auch, dass das Urteil in vollem Umfang zur Überprüfung durch den Senat gestellt werde. Weiterhin ist in höchstrichterlicher und obergerichtlicher Rspr. anerkannt, dass eine bloß partielle Begründung der Berufung keine Teilrücknahme darstellt (BGH NJW-RR 1989, 962; OLG Frankfurt FamRZ 1984, 406). Zwar kann und darf ein Rechtsmittel durch die in der Rechtsmittelbegründung enthaltenen Anträge beschränkt werden und dann eine Verwerfung als unzulässig nicht erfolgen; dies gilt jedoch nur, wenn zudem der Rechtsmittelkläger im Übrigen auf das Rechtsmittel verzichtet (BGH NJW 1968, 2106). Einen solchen Verzicht (§ 515 ZPO; BGH NJW 1984, 1302; 2001, 146), mit der Folge, dass eine spätere Rechtsmittelerweiterung ausgeschlossen wäre, will die Bekl. jedoch eindeutig nicht erklären. Danach kann verstärkt nicht angenommen werden, dass eine eingeschränkte, mit gleicher Wahrscheinlichkeit aber auch nur unvollständige Berufungsbegründung gegenlautende Anträge wesentlich verändern könne. Zuletzt darf nicht außer Acht gelassen werden, dass auch die Streitwertfestsetzung, die den Streitgegenstand des Feststellungsantrags enthält und die Gerichtskostenvorschussforderung bestimmt hat, von der Beklagten nicht beanstandet worden ist.
[19] 5. Hierauf beruhen die Aufrechterhaltung des erstinstanzlichen Feststellungsausspruchs (…) und Ziff. I 1., II der Urteilsformel.
[20] II. Im Übrigen, also hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs wegen entgangenen Gewinns (Ziff. I des Ersturteils), ist die Berufung jedoch ordnungsgemäß begründet und hat in der Sache uneingeschränkt Erfolg.
[21] 1. Das LG hat die Klage insoweit für begründet gehalten und deswegen entschieden, dass verzinste Schadensersatzansprüche des Kl. i.H.v. 20.295,40 EUR bestünden. Dieser Betrag wurde errechnet aus dem vertraglich festgelegten jährlichen Geschäftsführergehalt (Festbezüge zzgl. Gewinnbeteiligungen, gemittelt aus den Jahren 2010 und 2011) von 142.658,50 EUR. Umgelegt auf 220 Arbeitstage und vervielfacht mit ...