1. Das Einwachsen der Wurzeln in den Hausanschlusskanal des Grundstücks der Kl. stellte eine dem Bekl. zuzurechnende Verletzung einer Sicherungspflicht dar, die als Störung und damit als Grundlage eines Beseitigungsanspruchs nach § 1004 BGB zu qualifizieren ist (vgl. BGH NJW 1986, 2640; BGH NJW 1995, 395, 396; vgl. auch Wenzel, NJW 2005, 241, 242). Dass eine Sicherungspflicht des Bekl. hinsichtlich der Baumwurzeln bestand, folgt aus § 910 BGB, der die Verantwortung des Eigentümers für von seinem Grundstück aus einwachsende Wurzeln nicht beseitigt, sondern zusätzlich dem betroffenen Nachbarn ein "Selbsthilferecht" gibt (vgl. auch BGH NJW 2004, 603; KG NJW 2008, 3148).
Ob der Schwerpunkt des Vorwurfs gegen den Bekl. darin lag, dass er als Handlungsstörer durch Unterlassen nicht verhindert hatte, dass von seinem Grundstück aus Baumwurzeln in das Nachbargrundstück eindrangen und dort Schäden verursachten (z.B. Beschädigung einer Mauer des Nachbargrundstücks vgl. BGH NJW 2004, 603; BGH NJW 2004, 1035) oder ob der Schwerpunkt der Haftung aus seiner Eigenschaft als Zustandsstörer herzuleiten ist (vgl. zur Beschädigung einer privaten Abwasserleitung auf dem Nachbargrundstück durch einwachsende Wurzeln BGHZ 97, 231; BGHZ 106, 142; BGH NJW 1991, 2826; BGH NJW 1992, 2884) kann offen bleiben, da die Rechtsfolgen in beiden Fällen gleich sind.
2. Der jedenfalls bestehende Beseitigungsanspruch umfasste nicht nur die Beseitigung der Störungsquelle, damit die Entfernung der Wurzel, sondern auch die Wiederherstellung des in seiner Benutzbarkeit beeinträchtigten Grundstückszustandes. Diese zum Umfang des Beseitigungsanspruchs entwickelte Wiederbenutzbarkeitstheorie (vgl. dazu Wolf, Sachenrecht, 20. Aufl., Rn 319) hat zur Folge, dass der Störer – mag er Handlungs- oder Zustandsstörer sein – nicht nur die Beseitigung des Wurzelwerkes schuldet, sondern auch die Reparatur der zerstörten Leitungen und die Wiederherstellung der Oberfläche (vgl. Wenzel, a.a.O., 242).
3. Damit nähert sich der Beseitigungsanspruch dem Schadensersatzanspruch. Da der Eigentümer die Beeinträchtigungen durch die einwachsenden Wurzeln nicht mehr abwenden konnte, weil er schuldlos zu spät kam, ist er gem. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB in entsprechender Anwendung zu entschädigen (vgl. BGH NJW 1990, 3196; BGH NJW 1992, 2884; BGH NJW 2004, 603; BGH NJW 2006, 992; BGH NJW 2008, 993).
Diese Nähe der Haftung aus Deliktsrecht und aus Nachbarrecht legt es nahe, wenigstens von einer entsprechenden Anwendung des § 254 BGB auf den Beseitigungsanspruch auszugehen. Das Gleiche gilt für den Abzug "neu für alt".
RiOLG a.D. Heinz Diehl, Neu-Isenburg