"Nicht schon wieder!", mag man dem Leser zurufen. Noch in guter Erinnerung sind die Entscheidung des VIII. ZS des BGH zfs 2008, 288 m. Anm. Hansens = RVGreport 2008, 148 (Hansens) = AGS 2008, 158 und nachfolgende Beschlüsse dieses Senats, der angenommen hatte, die in Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG angeordnete Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr bewirke, dass die Verfahrensgebühr von vornherein in verminderter Höhe entstehe. Deshalb sei die Anrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren ohne Rücksicht darauf zu berücksichtigen, ob die Geschäftsgebühr gezahlt, geltend gemacht, unstreitig oder tituliert worden ist. Ohne die fast einhellige gegenteilige Auffassung in der Literatur zu widerlegen, haben sich in der Folgezeit sämtliche ZS des BGH, die mit der Anrechnungsfrage befasst waren, und viele OLG angeschlossen. Diese Rspr. widersprach dem Wortlaut und dem Sinn der Anrechnungsregelung und auch dem Willen des Gesetzgebers so sehr, dass dieser sich veranlasst sah, durch die Einfügung des § 15a RVG "klarzustellen", dass die Rspr. des BGH nicht richtig ist. Ich kann mich nicht erinnern, dass der Gesetzgeber in den letzten Jahrzehnten zu anderen Fragen des anwaltlichen Gebührenrechts Veranlassung sah, die Rspr. des BGH zu korrigieren.
Auch der XI. ZS des BGH liegt hier mit seiner Auffassung nicht richtig. Der II. ZS des BGH RVGreport 2012, 148 (Hansens) = AGS 2012, 124 und der XII. ZS des BGH zfs 2012, 43 = RVGreport 2012, 59 (ders.) = AGS 2012, 10 haben sich mit nicht immer überzeugenden verfahrensrechtlichen Argumenten der Entscheidung entziehen können, ob die Terminsgebühr für Besprechungen auch dann anfallen kann, wenn eine mündliche Verhandlung nicht (mehr) in Betracht kommt. Argument: Irgendwie hätte in dem entsprechenden Verfahren doch eine mündliche Verhandlung stattfinden können. Der XI. ZS musste hier Farbe bekennen und ist dabei zum falschen Ergebnis gelangt.
1. Die Gesetzessystematik
Die vom BGH bemühte Systematik des Gesetzes stützt seine Auffassung nicht. Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG regelt die fünf Fälle, bei denen die Terminsgebühr entsteht, darunter die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen. In welcher Höhe diese Terminsgebühr im ersten Rechtszug anfällt, ergibt sich aus Nr. 3104 VV RVG, nämlich mit einem Gebührensatz von 1,2, im zweiten Rechtszug nach Nr. 3202 VV RVG ebenfalls mit einem Satz von 1,2 und im Revisionsrechtszug nach Nr. 3210 VV RVG mit einem Gebührensatz von 1,5. Von dem Erfordernis einer mündlichen Verhandlung ist dort nichts bestimmt. Dies wäre auch widersinnig, weil eine die Terminsgebühr für Besprechungen auslösende Besprechung zur Vermeidung des Verfahrens natürlich vor Einleitung des betreffenden Verfahrens stattfindet, sodass sich die Frage einer vorgeschriebenen mündlichen Verhandlung in einem nicht eingeleiteten Verfahren gar nicht stellt. Entsprechendes gilt für das Mahnverfahren, in dem sich nach Vorbem. 3.3.2 VV RVG die Terminsgebühr nach Abschnitt 1 VV RVG bestimmt. Da im Mahnverfahren keine mündliche Verhandlung stattfindet, kommt dort nur der Anfall der Terminsgebühr für Besprechungen in Betracht.
Das Erfordernis der mündlichen Verhandlung ist nur in dem weiteren Gebührentatbestand des Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV RVG geregelt, für die beiden anderen Nummern dieses Gebührentatbestandes im Übrigen nicht. Dass es sich hierbei um einen von Nr. 3104 VV RVG zu trennenden Gebührentatbestand handelt, ergibt sich eindeutig aus der aus den einleitenden Worten von Abs. 1 der Anm. zu Nr. 3104 VV RVG: "Die Gebühr entsteht auch".
Man kann sich aber aus den mehreren, völlig unterschiedlichen Gebührenvorschriften nicht einfach einen Gebührentatbestand zusammenbasteln, wie es der BGH hier getan hat. Dann könnte man auch auf die Idee kommen, die Terminsgebühr für Besprechungen in einem Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung falle nach Nr. 3105 VV RVG nur als 0,5 Gebühr an, weil nicht auszuschließen sei, dass in dem Termin eine Partei nicht erschienen wäre oder das Gericht gem. § 331 ZPO entschieden hätte.
2. Der Wille des Gesetzgebers
Die Auffassung des BGH entspricht auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, das Gegenteil ist der Fall. Der BGH hat die Gesetzesmaterialien nicht vollständig zitiert. In der Begründung des RegE (BT-Drucks 15/1971, S. 148) heißt es zum Anfall der Terminsgebühr für Besprechungen:
Zitat
"Die außergerichtliche Streitbeilegung soll ferner dadurch gefördert werden, dass die Terminsgebühr auch dann anfallen soll, wenn der Rechtsanwalt nach Erteilung des Klageauftrags an einer auf die Vermeidung oder Erledigung gerichteten Besprechung mitwirkt."
Von dem Erfordernis einer mündlichen Verhandlung steht dort nichts.
Noch klarer kommt der Wille des Gesetzgebers in dem RefE des BMJ zum 2. KostRMoG (s. hierzu ausführlich Hansens RVGreport 2012, 2 ff.) zum Ausdruck. Zur Klärung der Streitfrage sieht nämlich der Referentenentwurf zum RVG vor, die Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG neu zu formulieren: