AUB 88 § 1 III § 2 II
Leitsatz
Der Tod durch Ertrinken ist immer ein Unfalltod, ohne dass es auf seine Ursachen ankommt. Der VR muss beweisen, dass es zum Ertrinken durch eine Geistes- und Bewusstseinsstörung gekommen ist.
(Leitsatz der Schriftleitung)
BGH, Beschl. v. 18.1.2012 – IV ZR 116/11
Sachverhalt
Der Kl. macht Ansprüche aus einer mit der Bekl. geschlossenen Unfallversicherung geltend. Versicherte Person ist neben dem Kl. dessen Sohn R M. Am 21.5.2008 verstarb R M bei einem Tauchgang im A.
2 Aus den Gründen:
[6] "… II.1. b) Gem. § 1 III AUB 88 liegt ein Unfall vor, wenn der Versicherte durch ein plötzlich von außen auf seinen Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Nicht unter den Versicherungsschutz fallen gem. § 2 I (1) AUB 88 Unfälle durch Geistes- oder Bewusstseinsstörungen. Versicherungsschutz besteht jedoch, wenn diese Störungen durch ein unter diesen Vertrag fallendes Unfallereignis verursacht waren. Der Senat hat hiervon ausgehend die maßgeblichen Grundsätze zur Eintrittspflicht des VR bei Tod durch Ertrinken in seiner Entscheidung vom 22.6.1977 (VersR 1977, 736, 737) entwickelt. Der Anspruchsteller muss nachweisen, dass es einen Unfall in Gestalt des Todes durch Ertrinken gegeben hat. Er braucht jedoch nicht die Ursachen und den Verlauf des Unfalles zu beweisen. Vielmehr genügt die Schilderung von Geschehensabläufen, die den Unfallbegriff der maßgeblichen Versicherungsbedingungen erfüllen. Für den Unfallbegriff kommt es allein auf dasjenige Ereignis an, das den Schaden unmittelbar ausgelöst hat, nicht auf dessen einzelne Ursachen, die nur im Rahmen der Ausschlussklauseln eine Rolle spielen können (BGHZ 23, 76, 80). Der Tod durch Ertrinken ist daher immer ein Unfalltod i.S.d. Unfallversicherungsbedingungen, ohne dass es auf dessen Ursachen ankäme. Die Leistungspflicht des VR ist nur ausgeschlossen, wenn es zu dem Ertrinken durch eine Geistes- oder Bewusstseinsstörung gekommen ist. Das Vorliegen dieses Ausschlusstatbestandes hat der VR darzulegen und zu beweisen."
[7] Diese Grundsätze, die auch das BG zugrunde gelegt hat, entsprechen der einheitlichen Auffassung in Rspr. und Schrifttum (vgl. OLG Stuttgart VersR 2007, 1363, 1364; OLG Hamm VersR 1989, 242, 243; OLG Zweibrücken VersR 1984, 578 … ). Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob es sich – wie vom BG in Erwägung gezogen – um einen Fall typischen oder atypischen Ertrinkens handelt. Die dargestellten Grundsätze sind unabhängig davon anzuwenden, welche konkrete Ursache zu dem Unfall geführt hat. Der Anspruchsteller hat darzulegen und zu beweisen, dass ein Unfall durch Ertrinken, d.h. durch das Eindringen von Wasser in den Kehlkopf, vorliegt. Welche Ursache hierfür maßgeblich war, ist erst für die Beurteilung des Eingreifens eines vom VR zu beweisenden Ausschlusstatbestandes von Bedeutung. Eine unterschiedliche rechtliche Beurteilung der verschiedenen Formen des Ertrinkens und ihrer Ursachen kommt nicht in Betracht.
[8] 2. Die Revision hat auch in der Sache keinen Erfolg. Das BG hat richtig entschieden. Die vom Kl. erhobenen Rügen gegen die Überzeugungsbildung des BG gem. § 286 ZPO greifen nicht durch.
[9] a) Das BG ist insoweit von der Revision als ihr günstig zugrunde gelegt davon ausgegangen, dass R M ertrunken ist, und hat sich hierzu auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B gestützt. Zugleich hat es festgestellt, nach seiner Überzeugung sei mit einer so hohen Sicherheit bewiesen, dass am Anfang der zum Tode des Versicherten führenden Kausalkette eine auf einer funktionellen Herzstörung beruhende Bewusstseinsstörung bestanden habe, dass vernünftige Zweifel daran nicht bestünden, selbst wenn sich der Beweis hierfür nicht mit absoluter Sicherheit führen lasse. Auf dieser Grundlage hat es den Ausschlusstatbestand des § 2 I (1) AUB 88 angenommen. Das ist nicht zu beanstanden. Die nach § 286 ZPO erforderliche Überzeugung des Gerichts erfordert keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und keine “an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit', sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (BGH VersR 2008, 1126 Rn 7 m.w.N.). Die Würdigung der Beweise ist grds. dem Tatrichter vorbehalten, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gem. § 559 Abs. 2 ZPO gebunden ist. Dieses kann lediglich nachprüfen, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (BGH a.a.O.).
[10] b) Einen solchen Rechtsfehler weist die Revision nicht nach.
[11] aa) Der Sachverständige Prof. Dr. B, dessen Ausführungen das BG gefolgt ist, hat ausgeführt, eine funktionelle Störung der Herztätigkeit sei nach dem Obduktionsbefund als ein “sehr wahrscheinliches' Ereignis anzusehen. Bei dem Versicherten hätten die vier Risikofaktoren der Fettdurchwachsung der rechten Herzmuskulatur, des e...