Die folgende Anmerkung umfasst den Komplex Akteneinsichtsrecht und damit beide vorstehenden ausgewählten Entscheidungen des KG und des OLG Celle.
Welche Aspekte sind für den Verteidiger zu beachten? Zum Ersten: er muss sich um die Herbeischaffung der Bedienungsanleitung zunächst vorgerichtlich selbst bemühen, notfalls durch die kostenpflichtige Beschaffung beim Hersteller, idealerweise aber durch Gewährung von Akteneinsicht seitens der Behörde, die ggf. nach § 62 OWiG zu erstreiten ist. Dabei dürfte die Tendenz dahin gehen, dass nicht der formal strenge Aktenbegriff maßgebend ist, sondern eine Pflicht zur Ermöglichung von Akteneinsicht sich auch auf die vorhandene aber eben nicht "der Akte" zugehörigen Bedienungsanleitung oder der Lebensakte des Messgeräts bezieht, so im Ergebnis das KG und auch das oben bereits zitierte OLG Naumburg unter Bezugnahme auf Art. 6 EMRK und den Grundsatz des fairen Verfahrens. Insofern erachte ich die oben stehende und auch eine vorangegangene Entscheidung des OLG Celle (Beschl. v. 11.9.2012 – 311 SsRs 124/12, juris) für nicht folgenswert, wenn hier wie dort explizit der formale Aktenbegriff herangezogen wird und lediglich formale Argumente gegen das KG und das OLG Naumburg aufgefahren werden, ohne den dahinter liegenden Ansatz aufzugreifen.
Die Pflicht des Verteidigers setzt sich sodann bis ins Gerichtsverfahren fort und er darf sich nicht, übertrieben gesagt "bockig", auf der bisherigen Nichtgewährung ausruhen, denn, so hat das OLG Frankfurt kürzlich entschieden: Das Gericht hat ohne konkreten Anlass keine Verpflichtung, die Bedienungsanleitung beizuziehen (Beschl. v. 12.4.2013 – 2 Ss OWi 173/13, juris). Er muss also, wie das KG dies ausgeführt hat, die Beiziehung beantragen, ggf. einen Beschluss nach § 238 Abs. 2 StPO herbeiführen.
Kulminiert wird das Ganze dann schließlich im Rahmen der Rechtsbeschwerde, denn dort sind die Anforderungen der OLG ganz einheitlich: Im Fall der Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs muss substantiiert dargelegt werden, was der Betr. im Falle seiner Anhörung geltend gemacht hätte und dazu muss dargetan werden, dass und wie bis zum Ablauf der Frist zur Erhebung der Verfahrensrüge sich der Verteidiger weiter um die Akteneinsicht bemüht hat. Zudem, darauf weist Burhoff zu Recht hin (ZAP 2013, F 22 R, S. 773), sollte der Verteidiger in der Rechtsbeschwerdebegründung mit Zitaten aus der Bedienungsanleitung konkret begründen, welche Vorhalte den die Messung durchführenden Polizeibeamten bei Kenntnis der Bedienungsanleitung in der Hauptverhandlung hätten gemacht werden können.
Ob sich die bisher so nicht spezifizierte Ansicht des OLG Celle zur Kostentragung bei Kauf einer Kopie beim Hersteller durchsetzen wird, bleibt offen. Berufen wird sich der Verteidiger eher auf die Ansicht des KG, dass die Anforderung der Bedienungsanleitung in Verfahren vor einem Gericht oder einer Behörde durch Beifügung einer Kopie der Bedienungsanleitung in die Verfahrensakte zulässig ist, also keinen urheberrechtlichen Schutz genießt.
Inwieweit sich das verbesserte Akteneinsichtsrecht auf die Beiziehung bzw. Herausgabe von Messdaten auswirken wird, ist eine weitere spannende Diskussion, auf die hier aus Platzgründen nicht eingegangen werden kann. Zu beachten sein wird dabei jedoch die zusätzliche Problematik, dass beileibe nicht jeder Sachverständige mit vom Messgerätehersteller übermittelten (Roh-)Daten auch etwas anzufangen weiß, worauf auch beim 51. VGT am Rande hingewiesen wurde.
RiAG Dr. Benjamin Krenberger, Landstuhl