Die Anwesenheit ist dann erforderlich, wenn der Betroffene identifiziert werden soll, wenn die bloße physische Präsenz des berechtigterweise schweigenden Betroffenen zur Sachaufklärung geboten ist oder wenn ins Strafverfahren übergegangen werden soll. Die Möglichkeit, dass sich Zeugen an ein von ihnen beobachtetes Fehlverhalten eines Betroffenen im Straßenverkehr besser oder überhaupt erst erinnern, wenn sie den Betroffenen in der Hauptverhandlung sehen, genügt nicht zur Ablehnung eines Entbindungsantrags.
Interessanterweise hat sich das OLG Düsseldorf innerhalb weniger Monate zwei Mal mit dieser Thematik befasst, aber zwei verschiedene Ergebnisse gefunden: einmal folgt es explizit dem KG, aber in einer zeitlich vorgehenden Entscheidung wird die Anwesenheit des Betroffenen sehr wohl verlangt: Wird dem Betroffenen vorgeworfen, als Führer eines Kraftfahrzeugs verbotswidrig ein Mobiltelefon benutzt zu haben, so ist die Ablehnung des Antrags auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der vier Monate nach der Tat stattfindenden Hauptverhandlung nicht zu beanstanden, wenn ein Polizeibeamter den Tatvorwurf bezeugen soll, die Feststellung, ob der Betroffene verbotswidrig mobil telefoniert hat, also maßgeblich davon abhängt, ob sich der Zeuge konkret daran erinnert, dass er gesehen hat, dass der Betroffene ein Mobiltelefon bedient hat. Dazu muss er den Betroffenen unmittelbar identifizieren. Bereits dieser Umstand rechtfertigt die Annahme, die Anwesenheit des Betroffenen sei erforderlich, soweit das OLG Düsseldorf. Das OLG Bamberg hat demgegenüber die Anwesenheit des Betroffenen zur Frage des Handyverstoßes nicht bejaht, ja nicht einmal problematisiert.
Ich halte die Ansicht des OLG Düsseldorf für zumindest angreifbar. Es bedarf eines konkreten Anhaltspunktes, inwieweit sich aus der Anwesenheit des Betroffenen eine (verbesserte) Aufklärung ergeben kann. Vorliegend unterscheidet das OLG Düsseldorf dafür zwischen Verstößen, die nur mittelbar festgestellt werden und bei denen sich der Zeuge deshalb vornehmlich auf einen technischen Vorgang konzentriert, und solchen Verstößen, bei denen eine unverwechselbare persönliche Handlung zur Ahndung führt. Bei Geschwindigkeitsverstößen und ähnlichen Messvorgängen wird allgemein konstatiert, dass nach dem Zugeständnis der Halter-/Fahrereigenschaft und der Erklärung, keine weiteren Angaben machen zu wollen, der Betroffene auf Antrag von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen zu entbinden ist. Die Unterscheidung zwischen "unmittelbarer" und "mittelbarer" Feststellung des Verstoßes, was im Hinblick auf die übrige obergerichtliche Rechtsprechung konsequent wäre, verlangt dann aber für den Mobiltelefongebrauch, dass das Gericht auf den Vorgang des Bedienens des Mobiltelefons abstellt, nicht auf die Erinnerung daran, ob überhaupt ein Verstoß vorlag. Rein praktisch ist es aber häufig so, dass sich eine Vielzahl von Polizeibeamten – nur natürlich – in der Hauptverhandlung nicht mehr an die konkrete Verkehrskontrolle, geschweige denn an den Betroffenen erinnern können, gerade wegen des verstrichenen Zeitraums und/oder der Vielzahl gleich gelagerter Sachverhalte im Kontrollalltag. Es geht also meistens doch darum, sich überhaupt an die Tat bzw. den Betroffenen zu erinnern und nicht so sehr darum, ob nun das Mobiltelefon "bedient" wurde. Und rechtlich handelt es sich bei den in der Ablehnung aufgeführten Gründen eben nicht um konkrete, jedenfalls nicht auf den vorliegenden Sachverhalt bezogene Tatsachen, sondern gleichfalls um abstrakte bzw. allgemeine Überlegungen (vergangener Zeitraum, viele weitere Kontrollen, optischer Eindruck als Nexus). Es bleibt abzuwarten, ob und wie sich diese Argumentation weiter entwickeln wird bzw. ob weitere OLG zu dieser Problematik überhaupt Ausführungen machen werden.
Mehrfach Gegenstand der Rechtsprechung war des Weiteren die Frage, ob der Betroffene zur Hauptverhandlung erscheinen muss, wenn von dessen Anwesenheit ein Beitrag zur Sachverhaltsaufklärung nicht zu erwarten ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Betroffene vorab erklärt hat, er habe das im Bußgeldbescheid genannte Fahrzeug zur Tatzeit geführt und mache darüber hinaus von seinem Schweigerecht Gebrauch: Dann muss (!) dem Antrag des Betroffenen, ihn vom Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, entsprochen werden. Der Betroffene ist nicht verpflichtet, die für die Frage der Verhältnismäßigkeit der Verhängung eines Fahrverbots erforderlichen Auskünfte zu geben. Die insoweit gegenteilig ergangene Entscheidung des OLG Jena ist damit abzulehnen: Die o.g. Angaben des Betroffenen sind grundsätzlich für die Entbindung ausreichend, selbst wenn er aufgrund seiner sonstigen Einlassungen oder aufgrund der Fallkonstellation dem Gericht durchaus noch Potential für Aufklärung und Nachfragen bietet. Denn der Betroffene muss an dieser Aufklärung bzw. an der Wahrnehmung der Fürsorgepflicht durch das Gericht nicht mitwirken. Der anwaltlich...