RB/KK 2008 § 17 Abs. 3 S. 4; VVG § 178h Abs. 2 S. 3 a.F = VVG § 205 Abs. 2 n.F.; VVG § 13 n.F.
Leitsatz
1. Erwirbt der VN einen Anspruch auf Heilfürsorge während des Strafvollzugs wegen einer zeitigen Freiheitsstrafe, ist eine hierauf gestützte außerordentliche Kündigung der Krankheitskostenversicherung seitens des VN nach § 178h Abs. 2 S. 3 VVG a.F., § 205 Abs. 2 S. 5 VVG n.F. unwirksam.
2. Der VR ist nach Treu und Glauben zur Zurückweisung dieser außerordentlichen Kündigung verpflichtet, wenn aus den Umständen ersichtlich ist, dass es dem VN nur um die Befreiung von der Beitragsbelastung während des Eintretens der Heilfürsorge geht und nicht darum, auch für die Zeit nach der Haftentlassung den Krankenversicherungsschutz zu beenden. In diesen Fällen hat der VR dem VN die Umstellung auf eine Ruhensversicherung (Anwartschaftsversicherung) anzubieten.
OLG Hamm, Urt. v. 13.7.2012 – 20 U 180/11
Sachverhalt
Der Kl. begehrt die Feststellung des Fortbestandes einer bei der Bekl. seit Dezember 1988 unterhaltenen privaten Krankheitskostenversicherung zum Tarif CV3H1 mit einer jährlichen Selbstbeteiligung von 1.000 EUR. Zur Kündigung der Versicherung durch den VN heißt es in § 17 Abs. 3 RB/KK 2008:
"Wird eine versicherte Person kraft Gesetzes krankenversicherungspflichtig, kann der VN binnen drei Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht insoweit eine Krankheitskostenversicherung oder eine dafür bestehende Anwartschaftsversicherung rückwirkend zum Eintritt der Versicherungspflicht kündigen. Die Kündigung ist unwirksam, wenn der VN den Eintritt der Versicherungspflicht nicht innerhalb von zwei Monaten nachweist, nachdem der VR ihn hierzu in Textform aufgefordert hat, es sei denn, der VN hat die Versäumung dieser Frist nicht zu vertreten. Später kann der VN das Versicherungsverhältnis insoweit nur zum Ende des Monats kündigen, indem er den Eintritt der Versicherungspflicht nachweist. Der Versicherungspflicht steht der gesetzliche Anspruch auf Familienversicherung oder der nicht nur vorübergehende Anspruch auf Heilfürsorge aus einem beamtenrechtlichen oder ähnlichen Dienstverhältnis gleich. ( … )"
Der Kl. war vom 29.11.2007 bis zum 27.7.2010 zur Verbüßung einer Freiheitsstrafe in der JVA I inhaftiert. Für diese Zeit hatte er seinen Stiefsohn mit der Erledigung seines Zahlungsverkehrs, auch der Beitragsentrichtung an die Bekl., beauftragt und ihm entsprechende Kontovollmacht erteilt. Die Bekl. mahnte Beitragsrückstände gegenüber dem Kl. mit Schreiben v. 7.3. und 5.9.2008 an, die sie an die vormalige Privatanschrift des Kl., S Straße 155 in G, versandte. Am 25.9.2008 ging der Bekl. eine Haftbescheinigung der JVA H v. 18.9.2008 zu, nach der der Kl. seit dem 29.11.2007 inhaftiert sei und voraussichtlich am 28.11.2011 entlassen werde. Ob die Bekl. mit dieser Haftbescheinigung auch ein handschriftlich im Namen des Kl. gefertigtes und unterzeichnetes Kündigungsschreiben erhielt, ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls bestätigte die Bekl. mit Schreiben v. 21.10.2008, welches sie wiederum an die vormalige Privatanschrift des Kl. in G adressierte, die Beendigung des privaten Krankenversicherungsschutzes zum 30.9.2008. Ebenfalls an die Privatanschrift des Kl. versandte sie unter dem 13.11.2008 eine Kündigung gem. § 39 VVG wegen Prämienrückstands i.H.v. 472,97 EUR.
2 Aus den Gründen:
"… 2. Die Feststellungsklage ist auch begründet."
Der unstreitig seit dem 1.12.1988 zwischen den Parteien bestehende private Krankenversicherungsvertrag besteht fort. Er ist weder infolge einer der Bekl. am 25.9.2008 zugegangenen Kündigung des Kl. noch aufgrund der Kündigung der Bekl. vom 13.11.2008 beendet worden.
a) Im Hinblick auf die ihr angeblich am 25.9.2008 zugegangene Kündigung ist der beweisbelasteten Bekl. bereits nicht der Nachweis gelungen, dass die von ihr vorgelegte Kündigungserklärung dem Kl. zuzurechnen ist. Da sich die Bekl. auf die ihr günstige Rechtsfolge der Vertragsbeendigung beruft, hat sie nach allgemeinen Grundsätzen zu beweisen, dass eine wirksame Kündigung vorliegt (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl. 2012, Vor § 284, Rn 17a m.w.N.). Die Bekl. kann mit der von ihr vorgelegten Kopie der ihr angeblich am 25.9.2008 zugegangenen Kündigungserklärung keinen Urkundbeweis i.S.d. § 416 ZPO führen, weil dieser die Vorlage des Originaldokuments voraussetzt (Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 416, Rn 1). Zudem bestreitet der Kl., die Kündigung unterzeichnet oder veranlasst zu haben. Eine Fertigung des streitigen Schriftstückes durch den Kl. selbst lässt sich mit den der Bekl. zur Verfügung stehenden Beweismitteln nicht nachhalten, insb. deshalb, weil die Bekl. das ihr angeblich zugegangene Originaldokument nach elektronischer Archivierung vernichtet hat und dieses somit einer Sachverständigenbegutachtung nicht mehr zur Verfügung steht.
Auch ansonsten hat die Bekl. keine Beweismittel benannt, die für ein Verfassen der Kündigungserklärung durch den Kl. selbst oder zumindest für eine ihm gem. § 164 BGB zuzurechnende Kündigungserklärung sprechen. (wird ausgeführt)
Im Ergebnis k...