VVG § 22; BGB § 123 Abs. 1; BB-BUZ § 2 Abs. 1
Leitsatz
1. Informiert der VN einen Versicherungsvertreter bei Vorgesprächen über den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung über eine Armgelenkserkrankung und erteilt der Versicherungsvertreter den Rat, er solle mit der Antragstellung bis zu deren Ausheilung warten, so ist das ein Indiz gegen die Annahme von Arglist bei Verschweigen der ausgeheilten Armerkrankung bei späterer Antragstellung.
2. Zur Verneinung von Arglist, wenn der Versicherungsvertreter die richtige Beantwortung von Antragsfragen durch einschränkende Bemerkungen beeinflusst.
3. Sehen die AVB vor, dass Berufsunfähigkeit vorliegt, wenn die versicherte Person voraussichtlich 6 Monate ununterbrochen krankheitsbedingt außerstande sein wird, ihren Beruf auszuüben, so tritt der Versicherungsfall zu dem Zeitpunkt ein, zu dem diese Prognose erstmals gestellt werden kann; die Erwartung einer nach Ablauf der Frist erfolgenden Heilung ist unerheblich.
4. Steht fest, dass der VR eine solche zeitlich begrenzte Prognose hätte stellen müssen, so ist der VN so zu stellen, als hätte der VR ein Anerkenntnis abzugeben; der VR kann sich dann von seiner Leistungspflicht nur aufgrund eines korrekt durchgeführten Nachprüfungsverfahrens befreien.
OLG Saarbrücken, Urt. v. 14.11.2012 – 5 U 343/10
Sachverhalt
Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche auf Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung wegen ab dem 6.1.2009 behaupteter Berufsunfähigkeit des Kl.
Der Kl. war bis zur Aufgabe seiner Berufstätigkeit als CNC-Dreher und Zerspanungsmechaniker tätig.
Dem Vertrag lagen die BB-BUZ der Bekl. zu Grunde. Sie enthalten folgende Regelungen;
"§ 2 Was ist Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen?"
(1) Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen außer Stande ist, ihren zuletzt ausgeübten Beruf auszuüben.
(2) Ist die versicherte Person sechs Monate ununterbrochen infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, zu mindestens 50 % außer Stande gewesen, ihren zuletzt ausgeübten Beruf auszuüben, so gilt dieser Zustand von Beginn an als Berufsunfähigkeit.“
2 Aus den Gründen:
"… Die Bekl. konnte ihre Vertragserklärung nicht wegen arglistiger Täuschung anfechten (§ 22 VVG, §§ 123 Abs. 1, 142 BGB), so dass die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung des Kl. fortbesteht. Der Kl. ist bedingungsgemäß berufsunfähig und hat deshalb Anspruch auf die vertraglich vereinbarten Leistungen."
1. Nach dem vom LG zugrunde gelegten Sachverhalt hat der Kl. die Bekl. nicht arglistig getäuscht. Die gegenläufige Würdigung der festgestellten Indizien im angefochtenen Urteil ist fehlerhaft.
a. Der VR kann den Versicherungsvertrag gem. § 22 VVG, § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung anfechten, wenn der VN bei Vertragsabschluss bewusst unrichtige Angaben gemacht hat, um den VR zum Abschluss des Vertrags mit dem gewünschten Inhalt zu bewegen, und wenn der VR den Vertrag nicht oder nicht mit diesem Inhalt abgeschlossen hätte, wenn er richtig informiert worden wäre.
b. Hier hatte die Zeugin Sch unstreitig unrichtige und unvollständige Angaben an die Bekl. weitergegeben. Die Gesundheitsfragen des im November 2002 ausgefüllten Antragsformulars bezogen sich auf einen Fünfjahreszeitraum. In diesen Zeitraum fielen die Fissur des rechten Außenknöchels im Jahr 1999, die rezidivierenden Fisteln und Abszesse in den Jahren 1997-2001, die Ellbogenbeschwerden (Epicondylitis) im Jahr 2002 sowie eine zunehmende Hörminderung seit Anfang 2002. All das wurde in der Antragserklärung nicht eingetragen. Gleichwohl konnte die Bekl. ihre Vertragserklärung nicht anfechten.
(1) Die Täuschung eines VR ist nicht ohne Weiteres durch unzutreffende oder unvollständige Angaben im Antragsformular belegt …
(a) Vor diesem Hintergrund scheidet eine arglistige Täuschung wegen der nicht im Formular erwähnten Hauterkrankungen und der Hörminderung aus.
Das LG hat aufgrund der Beweisaufnahme keine Überzeugung gewonnen, dass der Kl. diese Krankheiten gegenüber der Zeugin Sch beim Antragsgespräch verborgen habe. Der Senat sieht keine Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit der hierauf bezogenen Feststellungen begründen würden (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die Zeugin hat in ihrer erstinstanzlichen Vernehmung dargelegt, wie der Kl. von Fisteln und Abszessen berichtet habe. Ihr sei dies peinlich gewesen, weil der Intimbereich betroffen gewesen sei. Sie habe dann versäumt, Eintragungen ins Antragsformular zu machen, weil man angenommen habe, deswegen träte gewiss keine Berufsunfähigkeit ein. Demnach wurde die Versicherungsagentin als Auge und Ohr des VR informiert, die Bekl. mithin nicht getäuscht. Entsprechendes gilt für die Hörminderung. Das LG hat festgestellt, die Zeugin habe eingeräumt, hiervon – möglicherweise bereits bei der Antragstellung – gewusst zu haben. Sie konnte nicht erklären, warum keine Eintragung in das A...