Der Verstoß gegen landesrechtliche Verwaltungsvorschriften in Gestalt von Richtlinien zur Ausgestaltung der Messung bzw. der Auswahl des Messortes ist ein Klassiker in der Prüfung, ob ein Absehen vom Fahrverbot für den Betr. möglich ist. Die Messung an sich bleibt vollständig verwertbar (OLG Celle, NZV 2012, 253)!
Das OLG Bamberg hatte erst vor einiger Zeit entschieden, dass der Tatrichter, wenn er von einem Regelfahrverbot wegen einer innerörtlichen Geschwindigkeitsüberschreitung mit der Begründung abweichen will, dass die Messstelle entgegen der einschlägigen landespolizeilichen Verkehrsüberwachungsrichtlinien in einem zu geringen Abstand vor der das Ende der innerörtlichen Höchstgeschwindigkeit markierenden Ortstafel (Zeichen 311) eingerichtet wurde, weitere Feststellungen dazu treffen muss, ob die Messstelle bzw. die Überwachungsstrecke nicht aufgrund der örtlichen Gegebenheiten z.B. als Unfallbrennpunkt sachlich gerechtfertigt und damit ermessensfehlerfrei ausgewählt wurde (OLG Bamberg, Beschl. v. 17.7.2012 – 3 Ss OWi 944/12 – juris).
Dies entspricht auch der Rspr. anderer OLG, dass nämlich Feststellungen zur Besonderheit der Messstelle und deren verkehrstechnischer Einordnung erforderlich sind (OLG Bamberg, Beschl. v. 27.3.2006 – 3 Ss OWi 316/06 – DAR 2006, 464; OLG Stuttgart, Beschl. v. 3.2.2011 – 2 Ss 8/11 – DAR 2011, 220; OLG Dresden, Beschl. v. 27.8.2009 – Ss (OWi) 410/09 – DAR 2010, 29; BayObLG, Beschl. v. 4.9.1995 – 1 ObOWi 375/95 – NZV 1995, 496; BayObLG, Beschl. v. 27.6.2002 – 1 ObOWi 221/02 – NZV 2002, 576; Deutscher in: Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Aufl. 2012, Rn 1089 ff.).
Auf der Rechtsfolgenseite kann bei tatsächlicher unzulässiger Unterschreitung der vorgegebenen Abstände zur Messstelle sowohl ein Abweichen vom Regelsatz des BKat im Raum stehen, aber es kann auch das Maß der Pflichtwidrigkeit des Betr. aufgrund einer ihm zuzubilligenden Messtoleranz herabgesetzt sein, sodass die Verhängung eines Fahrverbotes in Frage zu stellen ist (Burmann in: Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 22. Aufl. 2012, § 3 StVO, Rn 61; König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, § 3 StVO, Rn 56; Krumm, Fahrverbot in Bußgeldsachen, 3. Aufl. 2014, S. 317 ff.).
Der Verteidiger muss sich bei der Prüfung der Örtlichkeit der Messung darüber im Klaren sein, dass es für die verschiedenen Bundesländer auch verschiedene Richtlinien und Erlasse gibt (vgl. Krumm, a.a.O., S. 318). Die Richtlinien selbst haben dabei keine unmittelbare Außenwirkung, erlangen aber Bedeutung als konkret wirkende Ausgestaltung des Opportunitätsprinzips, nämlich als Beschränkung der Verkehrsüberwachung (Sobisch, DAR 2013, 100; OLG Dresden, Beschl. v. 27.8.2009 – Ss (OWi) 410/09 – DAR 2010, 29). Durch die Verbindlichkeit der Richtlinie für die handelnden Messbeamten, wird die Gleichbehandlung der Verkehrsteilnehmer gesichert, Art. 3 GG (BayObLG, NStZ-RR 2002, 345; OLG Celle, NZV 2012, 253).
Neben der Anregung, die Anordnung des Fahrverbots wegen des fehlenden Handlungsunwerts zu verneinen, sollte der Verteidiger aber auch stets bzw. zuvor die Einstellung des Verfahrens anregen, um – natürlich bereits parallel angekündigte bzw. gestellte – Beweisanträge, einen Ortstermin und die Verzögerung des Verfahrens zu umgehen (vgl. Krumm, a.a.O., S. 319–322).
RiAG Dr. Benjamin Krenberger
zfs 6/2014, S. 353 - 355