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Zu den Vorlagefragen

Vorbemerkungen

[38] Da die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen die Auslegung der Art. 2 Abs. 1 und 11 Abs. 2 der Richtlinie 2006/126 betreffen, die die Richtlinie 91/439 aufgehoben und ersetzt hat, ist vorab zu ermitteln, welche Bestimmungen des Unionsrechts auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens zeitlich anwendbar sind.

[39] Aus dem Vorlagebeschluss geht hervor, dass Frau Aykul die Fahrerlaubnis am 19.10.2007 von den österreichischen Behörden erteilt wurde und dass es das Landratsamt R mit seiner Verfügung v. 17.9.2012 wegen Tatsachen, die sich am 11.5.2012 ereignet hatten, ablehnte, die Gültigkeit dieser Fahrerlaubnis im deutschen Hoheitsgebiet anzuerkennen.

[40] Gem. Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126 wurde die Richtlinie 91/439 zwar erst mit Wirkung zum 19.1.2013 aufgehoben, mehrere Bestimmungen der Richtlinie 2006/126, wie etwa ihre Art. 2 Abs. 1 und 11 Abs. 4, sind gem. ihrem Art. 18 Abs. 2 jedoch ab dem 19.1.2009 anwendbar (vgl. i.d.S. Urteil Akyüz v. 1.3.2012, C-467/10, EU:C:2012:112, Rn 31 [zfs 2012, 149, Ls.]). Dies ist allerdings nicht bei Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2006/126 der Fall, der nicht zu den Bestimmungen zählt, die in Art. 18 Abs. 2 dieser Richtlinie genannt werden.

[41] Daraus folgt, dass zum einen die Art. 2 Abs. 1 und 11 Abs. 4 der Richtlinie 2006/126 und zum anderen Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439, dessen Inhalt wortgleich in Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2006/126 übernommen wurde, auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens zeitlich anwendbar sind.

Zu den Fragen 1 und 2 sowie zur Frage 4a

[42] Es ist daran zu erinnern, dass es im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof Aufgabe des Gerichtshofs ist, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat er die ihm vorgelegten Fragen ggf. umzuformulieren (vgl. Urteil Le Rayon d'Or, C-151/13, EU:C:2014:185, Rn 25 und die dort angeführte Rspr.).

[43] Zu diesem Zweck kann der Gerichtshof aus dem gesamten vom nationalen Gericht vorgelegten Material, insb. der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Normen und Grundsätze des Unionsrechts herausarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Ausgangsrechtsstreits einer Auslegung bedürfen (vgl. Urteil Le Rayon d'Or, C-151/13, EU:C:2014:185, Rn 26 und die dort angeführte Rspr.).

[44] Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorlagebeschluss hervor, dass das vorlegende Gericht mit seinen Fragen 1 und 2 sowie mit seiner Frage 4a, die zusammen zu prüfen sind, wissen möchte, ob die Art. 2 Abs. 1 und 11 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126 sowie Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439 dahin auszulegen sind, dass sie einen Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich der Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins vorübergehend aufhält, daran hindern, die Anerkennung der Gültigkeit dieses Führerscheins wegen einer Zuwiderhandlung seines Inhabers abzulehnen, die in diesem Gebiet nach Erteilung der Fahrerlaubnis stattgefunden hat und die gem. den nationalen Rechtsvorschriften des erstgenannten Mitgliedstaats geeignet ist, die fehlende Eignung zum Führen von Kfz herbeizuführen.

[45] Nach st. Rspr. sieht Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126 die gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine ohne jede Formalität vor. Diese Bestimmung erlegt den Mitgliedstaaten eine klare und unbedingte Verpflichtung auf, die keinen Ermessensspielraum in Bezug auf die Maßnahmen einräumt, die zu erlassen sind, um ihr nachzukommen (vgl. i.d.S. Urteile Akyüz, C-467/10, EU:C:2012:112, Rn 40 [= NJW 2012, 1341 = DAR 2012, 192 = SVR 2012, 149 = zfs 2012, 359, Ls.], und Hofmann, C-419/10, EU:C:2012:240, Rn 43 und 44 [= zfs 2012, 351]).

[46] Zudem geht aus der Rspr. des Gerichtshofs hervor, dass es Aufgabe des Ausstellermitgliedstaats ist zu prüfen, ob die im Unionsrecht aufgestellten Mindestvoraussetzungen, insb. die Voraussetzungen in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126 hinsichtlich des Wohnsitzes und der Fahreignung, erfüllt sind und ob somit die Erteilung einer Fahrerlaubnis gerechtfertigt ist (vgl. i.d.S. Urteil Hofmann, C-419/10, EU:C:2012:240, Rn 45 und 47 [= zfs 2012, 351]).

[47] Haben die Behörden eines Mitgliedstaats einen Führerschein gem. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126 ausgestellt, sind die anderen Mitgliedstaaten nicht befugt, die Beachtung der in dieser Richtlinie aufgestellten Ausstellungsvoraussetzungen nachzuprüfen. Der Besitz eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins ist nämlich als Beweis dafür anzusehen, dass sein Inhaber am Tag seiner Ausstellung diese Voraussetzungen erfüllte (vgl. i.d.S. Urteil Hofmann, C-419/10, EU:C:2012:240, Rn 46 und 47 [= zfs 2012, 351]).

[48] Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die deutschen Behörden die Voraussetzungen für den Besitz des Führerscheins von Frau Aykul nicht an dem Tag, a...

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