" … Der Kl. hat gegen die Bekl. aus dem unstreitig bestehenden Kaskoversicherungsvertrag einen weiteren Zahlungsanspruch i.H.v. 2.694,08 EUR."
Die Bekl. ist nicht berechtigt, ihre Leistungen gem. § 81 Abs. 2 VVG zu kürzen. Danach ist eine Kürzung nur möglich, wenn der VN den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat. Von grober Fahrlässigkeit ist auszugehen, wenn schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und dasjenige nicht beachtet wird, was im konkreten Fall jedem Verkehrsteilnehmer hätte einleuchten müssen. Neben einem objektiv grob verkehrswidrigen Verhalten setzt sie subjektiv ein erheblich gesteigertes Verschulden voraus (OLG Braunschweig VersR 1997, 182; OLG Frankfurt VersR 2004, 1260; LG Hamburg DAR 2010, 473).
Die grobe Fahrlässigkeit liegt im vorliegenden Fall nicht darin, dass der Kl. mit Sommerreifen gefahren ist. Zwar schreibt § 2 Abs. 3a StVO vor, dass bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch und Eis- oder Reifglätte geeignete Reifen (M+S-Reifen) zu nutzen sind. Dies führt jedoch nicht zu einer generellen Winterreifenpflicht (LG Hamburg a.a.O.).
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass zum Unfallzeitpunkt am Unfallort die Temperatur bei 1,8 Grad und die relative Luftfeuchtigkeit bei 87,1 % lagen und weder Schnee noch Regen gefallen sind. Dies ergibt sich aus dem von der Bekl. vorgelegten Wetterrückblick … und wird auch durch die Angaben des Zeugen bestätigt. Dieser hat dazu angegeben, es habe weder geregnet noch geschneit. Wenn ihm nun vorgehalten werde, dass es laut einem in der Akte befindlichen Wetterrückblick etwa 1,8 Grad gewesen sein solle und gefühlt etwas kälter, so könne das durchaus sein, an eine konkrete Temperatur könne er sich aber nicht erinnern. Die Einholung eines ergänzenden Gutachtens des Deutschen Wetterdienstes war daher nicht erforderlich.
Unter Berücksichtigung dieser Wetterverhältnisse dürfte es geboten gewesen sein, mit Winterreifen zu fahren und die Geschwindigkeit entsprechend anzupassen. Ein objektiv verkehrswidriges Verhalten liegt daher durchaus nahe.
Allerdings fehlt in subjektiver Hinsicht ein erheblich gesteigertes Verschulden im oben genannten Sinne. Ein solches subjektives Verschulden lässt sich nicht bereits aus den Angaben des Kl. im Unfallfragebogen herleiten. Zwar hat der Kl. die Frage nach den Straßenverhältnissen mit “Glatteis’ beantwortet. Dies lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass er bereits während der Fahrt vor dem eigentlichen Unfall wusste bzw. damit gerechnet hat, dass Glatteis auf der Straße herrscht. Es ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände vielmehr davon auszugehen, dass es sich letztlich um Vermutungen des Kl. zur Unfallursache handelt, die er im Nachhinein angestellt hat. So heißt es etwa zum Unfallhergang: “Bin mir nicht sicher wie, entweder Eis oder ich bin von der Straße abgekommen’. Auch im Rahmen der persönlichen Anhörung hat der Kl. dazu nachvollziehbar erklärt, bei der Angabe “Glatteis’ handele es sich eben um eine Vermutung von ihm. Er sei sich keinesfalls sicher gewesen und habe dies durch diese Eintragung in den Bericht auch nicht zum Ausdruck bringen wollen. Er könne auch heute nicht sicher sagen, warum er von der Straße abgekommen sei.
Auch die glaubhaften Angaben des Zeugen X sprechen dagegen, dass sich dem Kl. vor dem Unfallereignis zwingend aufdrängen musste, dass das Fahren mit Sommerreifen mit einer vor Ort grds. zulässigen Geschwindigkeit besonders gefahrenträchtig war. So hat der Zeuge dazu u.a. erklärt, er habe ihn bei der Diskothek abgeholt und sie seien nach Hause zu seiner Wohnung … gefahren. Sie hätten auf ihrer Fahrt keinerlei Probleme gehabt. Sie hätten auch kein Glatteis bemerkt. Sie seien weder gerutscht noch hätten sie andere Probleme gehabt.
Das Gericht verkennt nicht, dass es sich bei dem Zeugen um den Bruder des Kl. handelt. Allerdings sind seine Angaben durchaus schlüssig und in sich widerspruchsfrei. Auch räumte er ein, wenn er sich an konkrete Dinge wie etwa die genaue Temperatur oder die Geschwindigkeit, nicht erinnern konnte.
Nach alledem kann jedenfalls nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass dem Kl. subjektiv ein erheblich gesteigertes Verschulden vorzuwerfen ist, so dass es unter Berücksichtigung der gesamten Umstände an einem grob fahrlässigen Verhalten fehlt. Im Übrigen kann auch nicht zwingend davon ausgegangen werden, dass es nicht zu dem Unfall gekommen wäre, wenn der Kl. mit Winterreifen gefahren wäre. Gerade im Falle von Eisglätte kann ein Abkommen von der Straße auch mit Winterreifen keineswegs ausgeschlossen werden (vgl. LG Hamburg a.a.O.).
Schließlich ist die Bekl. auch nicht wegen eines Verstoßes des Kl. gegen die Aufklärungsobliegenheiten nach Ziffer E.1.3 der zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen von der Leistungspflicht befreit.
Zwar dürfte der Bekl. nicht verwehrt sein, sich erstmals im gerichtlichen Verfahren auf eine Leistungsfreiheit aufgrund eines Verstoßes gegen die Aufklärungsobliegenheiten zu be...