[9] "… 1. Die bei der Kl. vor der Lasik-Operation vorhandene Fehlsichtigkeit stellte entgegen der Auffassung des BG eine Krankheit dar."
[10] a) Noch zutreffend ist das BG davon ausgegangen, dass unter Krankheit i.S.d. Bedingungen nach dem maßgebenden Verständnis eines durchschnittlichen VN ein objektiv nach ärztlichem Urteil bestehender anormaler, regelwidriger Körper – oder Geisteszustand zu verstehen ist (Senat zfs 2016, 459 Rn 16 … ). Dabei ergibt sich die Einstufung als “anormal‘ aus einem Vergleich mit der normalen biologischen Beschaffenheit des Menschen, die Einstufung als “regelwidrig‘ aus der ergänzenden medizinischen Bewertung eines anormalen Zustandes. …
[11] b) Rechtsfehlerhaft ist es jedoch, dass das BG das Vorliegen einer bedingungsgemäßen Krankheit verneint hat, weil es auf einen natürlichen Alterungsprozess abgestellt hat und der weiteren Auffassung des Sachverständigen gefolgt ist, wonach ein bloßer Refraktionsfehler, der zu einer Fehlsichtigkeit führt, wie sie bei 30–40 % der Menschen im mittleren Alter auftritt, noch keinen Krankheitswert habe.
[12] aa) AVB sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse an. …
[13] Ein solcher VN wird zunächst vom Wortlaut der Bedingung ausgehen, wobei für ihn der Sprachgebrauch des täglichen Lebens und nicht etwa eine Terminologie, wie sie in bestimmten Fachkreisen üblich ist, maßgebend ist …
[14] bb) Danach kann es für die Frage, ob im Streitfall eine bedingungsgemäße Krankheit vorliegt, weder auf die von dem Sachverständigen seiner Beurteilung zugrunde gelegte Einschätzung, in Fachkreisen werde von einer pathologischen Myopie nach internationalem medizinischen Standard erst ab -6 Dioptrien gesprochen, ankommen noch auf seine weiteren Ausführungen, ein Refraktionsfehler, der zu einer Fehlsichtigkeit führe, wie sie bei 30–40 % der Menschen im mittleren Alter auftrete, habe noch keinen Krankheitswert.
[15] cc) Ein durchschnittlicher VN wird vielmehr davon ausgehen, zum Normalzustand der Sehfähigkeit gehöre ein beschwerdefreies Lesen und eine gefahrenfreie Teilnahme am Straßenverkehr; er wird das Vorliegen einer bedingungsgemäßen Krankheit annehmen, wenn bei ihm eine nicht nur ganz geringfügige Beeinträchtigung dieser körperlichen Normalfunktion vorliegt, die ohne Korrektur ein beschwerdefreies Sehen nicht ermöglicht. Dies folgt schon daraus, dass eine Krankheit nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch auch dadurch gekennzeichnet ist, dass sie eine nicht ganz unerhebliche Störung körperlicher oder geistiger Funktionen mit sich bringt und deshalb die Notwendigkeit einer Heilbehandlung begründet (Senat zfs 2016, 459 Rn 17).
[16] dd) In dem dargelegten Verständnis wird der durchschnittliche VN auch durch das weitere Klauselwerk bestätigt. Er wird das Vorliegen einer bedingungsgemäßen Krankheit im Falle einer behandlungsbedürftigen Fehlsichtigkeit auch deshalb annehmen, weil ihm gerade für diesen Fall Leistun gen vom VR versprochen werden. Insoweit ist in den AVB (Teil III) für den im Streitfall vereinbarten Tarif Classic ausdrücklich vorgesehen, dass Sehhilfen bis 200 EUR Rechnungsbetrag erstattungsfähig sind. Diese Regelung spricht daher ungeachtet der betragsmäßigen Begrenzung entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht gegen, sondern gerade für ein Verständnis der Fehlsichtigkeit als Krankheit, die einen Versicherungsfall auslösen kann.
[17] ee) Nach alledem hätte das BG das Vorliegen einer bedingungsgemäßen Krankheit nicht verneinen dürfen. Die Korrekturbedürftigkeit eines Zustands, der ohne seine Beseitigung oder die Anwendung von Hilfsmitteln wie Brille oder Kontaktlinsen die genannten Einschränkungen im täglichen Leben mit sich bringt, steht aus medizinischer Sicht außer Frage und ergibt sich im konkreten Fall auch aus den weiteren Feststellungen des Sachverständigen. Dieser hat im zusammenfassenden Teil seines schriftlichen Gutachtens die medizinische Indikation für eine Behandlung der bei der Kl. vorliegenden Kurzsichtigkeit und Stabsichtigkeit ausdrücklich bejaht und lediglich die “absolute‘ medizinische Notwendigkeit für einen chirurgischen Eingriff verneint, letzteres aber nur deshalb, weil eine Brillen- oder Kontaktlinsenkorrektur möglich, wenn auch mit erheblichen Beschwerden verbunden sei. Gleichwohl hat er den Eingriff für medizinisch sinnvoll erachtet. Bei der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens vor dem BG hat er sowohl die Kurzsichtigkeit als auch den Astigmatismus der Kl. als Refraktionsfehler eingeordnet.
[18] Sowohl die Bezeichnung als “Fehler‘ als auch die Bejahung einer Behandlungsindikation aus medizinischer Sicht lassen auf eine korrekturbedürftige und damit das Vorliegen einer den Krankheitsbegriff ausfüllenden Regelwidrigkeit schließen.
[19] Ob der Eingriff bei der Kl. – wie es der Sachverständige bezeichnet...