[9] "… I. Das BG hat die Prozessführungsbefugnis des Kl. verneint, da nach § 8.1. der AVB-O nur die versicherten Personen den Anspruch geltend machen könnten, wodurch die Regelung der §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 1 VVG wirksam abbedungen sei."
[10] Die Klage sei – wegen des Trennungsprinzips – auch unbegründet, solange im Haftpflichtprozess nicht die Haftung der versicherten Personen geklärt sei. Auch in Fällen der Innenhaftung sei das Unternehmen gehalten, zunächst einen Titel gegen die versicherten Personen zu erstreiten. Die Befugnis zur Geltendmachung stehe ihm nur dann zu, wenn ihm als VN rechtskräftig ein Anspruch gegen den Versicherten zuerkannt oder wenn der VN im Besitz des Versicherungsscheins sei (§ 45 Abs. 2 VVG) und wenn der Versicherte zustimme (§ 45 Abs. 3 VVG), was hier nicht der Fall sei. …
[11] II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Kl. ist prozessführungsbefugt.
[12] 1. Das Recht der Schuldnerin, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, ist gem. § 80 Abs. 1 InsO durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Kl. übergegangen.
[13] 2. Zu diesem Recht gehört nach §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 1 VVG auch die Geltendmachung der Rechte der versicherten Personen aus dem Versicherungsvertrag. Es ist ein Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft gegeben (vgl. OLG Köln NVersZ 2002, 515, 516; OLG Hamm NJW-RR 1996, 1375, 1376, jeweils zu § 76 VVG a.F. … ). Eine D&O-Versicherung, welche auch Schadensersatzansprüche der VN und ihrer Tochterunternehmen gegen versicherte Personen deckt, ist Versicherung für fremde Rechnung i.S.d. §§ 43 ff. VVG (vgl. Senat AG 2016, 395 Rn 27 und BGHZ 209, 373 Rn 20).
[14] 3. Die Regelung des § 8.1. AVB-O steht der Anwendung der §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 1 VVG im Streitfall nicht entgegen.
[15] a) Allerdings ergibt die Auslegung des § 8.1. AVB-O, dass durch diese Klausel die Regelungen der §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 1 VVG abbedungen werden sollen. Nach dem Bedingungswortlaut, von dem der durchschnittliche VN einer D&O-Versicherung, auf dessen Verständnis es insoweit maßgeblich ankommt, bei Auslegung der Klausel ausgehen wird, können den Anspruch auf Versicherungsschutz vorbehaltlich § 1 Ziff. 3 nur die versicherten Personen geltend machen. Anders als die Revision meint, erkennt der durchschnittliche VN, dass es sich trotz der teilweisen Ähnlichkeit der Formulierung nicht nur um eine deklaratorische Wiederholung des § 44 Abs. 1 S. 1 VVG handelt. Im Gegensatz zu § 44 Abs. 1 S. 1 VVG, der die materielle Inhaberschaft des Anspruchs betrifft, hat § 8.1. AVB-O dessen Geltendmachung zum Gegenstand. Indem diese nur den versicherten Personen möglich sein soll, werden die Regelungen in §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 1 VVG insoweit modifiziert. …
[16] Dies gilt entgegen der Auffassung der Revision auch für den Fall der Innenhaftung. Eine Differenzierung zwischen Außen- und Innenhaftung enthält die Klausel nicht.
[17] b) Im Streitfall ist es der Bekl. jedoch nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf eine fehlende Prozessführungsbefugnis des Kl. gem. § 8.1. AVB-O zu berufen. Die Geltendmachung dieses Einwandes erscheint unter den gegebenen Umständen als Rechtsmissbrauch.
[18] aa) Die in § 8.1. AVB-O geregelte alleinige Befugnis der versicherten Personen, den Anspruch auf Versicherungsschutz geltend zu machen, will die Geltendmachung des Versicherungsanspruchs demjenigen vorbehalten, dessen Interesse versichert ist. Eine eigene Prozessführungsbefugnis soll die Versicherten darüber hinaus vor einer Abhängigkeit von der Bereitschaft des VN schützen, den Deckungsanspruch zu verfolgen (vgl. Lange, VersR 2007, 893, 895).
[19] Die Regelung des § 8.1. AVB-O verliert aber dann ihren Sinn, wenn – wie im Streitfall – der VR einen Deckungsanspruch abgelehnt hat, die versicherten Personen keinen Versicherungsschutz geltend machen und schützenswerte Interessen des VR einer Geltendmachung des Anspruchs durch den VN nicht entgegenstehen.
[20] bb) (1) Die dem VN in der hier vorliegenden Konstellation durch die Klausel drohenden Nachteile wären gravierend. Ihm bliebe nur der äußerst umständliche und zeitraubende Weg, gegen die versicherten Personen aus den zwischen diesen und ihm bestehenden Rechtsverhältnissen gerichtlich vorzugehen mit dem Ziel, die versicherten Personen zur Erhebung von Deckungsklagen gegen den VR zu zwingen. Da eine solche Klage im allgemeinen nur begründet ist, wenn ein Prozess gegen den VR genügende Erfolgsaussicht bietet, müsste das mit ihr befasste Gericht auch den Versicherungsanspruch einer Vorprüfung unterziehen, ohne dass hierdurch aber die noch bevorstehende Auseinandersetzung mit dem VR in irgendeiner Weise gefördert würde. Zudem ergäbe sich bei Durchführung eines solchen Prozesses ein Interessenwiderstreit insofern, als die versicherten Personen zunächst mit dem VR gegen den VN zusammenarbeiten müssten, im Falle ihres Unterliegens dann aber gezwungen wären, in einem weiteren Rechtsstreit ihre Interessen gegen den VR wahrzunehmen (vgl. BGHZ 41, 327 unter I zu...