1. Rettungsversuche von Kraftfahrern im Straßenverkehr durch Ausweichen vor anderen Verkehrsteilnehmern, um den Eintritt von Schäden zu verhindern, können zu Selbstschädigungen des hilfswilligen Retters führen. Ansprüche auf Ersatz der hieraus herrührenden Schäden werden in unterschiedlicher Art und Weise nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag und nach dem Grundsatz der in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Hilfeleistung bei Unglücksfällen gewährt. Grundkonstellation ist die gefahrträchtige Begegnung eines Kraftfahrers mit entgegenkommenden Radfahrern, von denen einer in die Fahrbahn des Kraftfahrers gerät, woraufhin der Kraftfahrer seinen Pkw nach rechts lenkt, gegen einen Baum stößt, er verletzt wird und weiterhin Sachschäden erleidet (zur Lösung dieses Falles vgl. BGHZ 38, 270 ff.).
2. Bei der Beurteilung dieses Sachverhalts nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag gem. §§ 677, 683, 670 BGB scheint der Einstieg in die Belohnung des erfreulichen Altruismus des Retters, der freiwillige Menschenhilfe übt (vgl. Canaris, JZ 1963, 665, 659), angemessen. Detailprobleme auf dem Weg zur Bejahung der Anspruchsvoraussetzungen lassen sich bei zielführender Argumentation und der auf Belohnung des Retters zielenden Berücksichtigung der Geschäftsführung ohne Auftrag überwinden. Da auch tatsächliche Handlungen wie das Herumreißen des Steuers eine Maßnahme der Geschäftsbesorgung sein können (vgl. BGH a.a.O. S. 275), muss die Ausweichbewegung ein fremdes Geschäft sein. Das kann nur dann zweifelhaft sein, wenn es dem Retter allein darum ging, von sich Schäden und Schadensersatzansprüche abzuwenden. Das Ausweichen ist jedoch, wie das gefahrträchtige Steuern gegen einen Baum zeigt, auch ein objektiv fremdes Geschäft, was zugleich den Fremdgeschäftsführungswillen begründet (vgl. BGHZ 110, 313; Martinek/Theobald, JuS 1997, 805, 808). Damit ist aber noch nicht endgültig die Entscheidung für einen Anspruch des "Retters" auf Ersatz seiner Schäden, der in korrigierender Auslegung des § 670 BGB Bestandteil der Zubilligung von Aufwendungsersatzansprüchen sein kann (vgl. BGHZ 38, 270, 277; OLG Stuttgart NJW-RR 2011, 606 ff.), gefallen.
Die Auswirkung der rigiden Haftung des Halters und Fahrers des Kfz kann dazu führen, dass unbeschadet der grundsätzlichen Auch-Fremdheit des Ausweichvorgangs als fremdem Geschäft i.S.d. § 677 BGB diese Einordnung entfallen kann. Ein Geschäft des sich selbst Aufopfernden allein liegt nämlich dann vor, wenn er als Halter wie als Fahrer ohne Entlastungsmöglichkeit gehaftet hätte. Missglückten ihm die Exkulpationsversuche nach §§ 7 Abs. 2, 17 Abs. 3 StVG sowie nach § 18 Abs. 1 S. 2 StVG, lag ein Eigengeschäft des Retters vor, da die strenge Haftung von Halter und Fahrer nicht durch Überlegungen zum Ausgleich nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag überspielt werden konnte (vgl. BGHZ 38, 270, 277; Rebler, MDR 2013, 254, 256; Staudinger/Bergmann, (2015), Vorbem. zu §§ 677 ff. BGB).
Selbst wenn dem Geschäftsführer der Entlastungsbeweis gelingen sollte, erhält er keinen Aufwendungsersatzanspruch in Höhe des ihm entstandenen Sach- und Körperschadens. Sein Anspruch wird unter Heranziehung des Rechtsgedankens der §§ 740 ff. HGB gekürzt, wobei das Eigeninteresse des Retters an der Rettung zu berücksichtigen ist (vgl. BGHZ 38, 270, 277; Staudinger/Bergmann, a.a.O. Vorbem. zu §§ 677 ff. BGB Rn 154, § 683 Rn 67; a.A. Frank, JZ 1982, 742).
In den nicht seltenen Fällen des mit einer Selbstaufopferung verbundenen Ausweichens des Retters vor einem Kind geht die überwiegende Rspr. davon aus, dass eine Geschäftsführung für die Eltern des Kindes vorliegt (vgl. OLG Oldenburg VersR 1972, 1178; OLG Celle VersR 1976, 448; OLG Hamm VersR 2002,1254). Dagegen spricht es, dass damit auf einem Umweg entgegen der Wertung des § 832 BGB eine Haftung der Eltern begründet wird (vgl. LG Berlin NJW 1999, 2006; Canaris, JZ 1963, 655, 660; vgl. auch BGH NJW 1971, 609, 612; Staudinger/Bergmann, a.a.O. Vorbem. zu §§ 677 ff. Rn 154; Friedrich, VersR 2005, 1660).
3. Ausweichbewegungen im Straßenverkehr zur Verhinderung von Unglücksfällen mit der Folge von Sach- und Personenschäden des "Retters" lösen Ansprüche in der gesetzlichen Unfallversicherung aus (§§ 8 Abs. 1 S. 1, 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII).
Da spontane und kurzfristige Rettungshandlungen als anspruchsbegründende Hilfsleistungen in der Unfallversicherung ausreichen und der Regress der Unfallversicherung nach § 116 SGB auch etwaige Ansprüche aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag erfasst, empfiehlt sich die Geltendmachung der Ansprüche aus der Unfallversicherung zur Durchsetzung von Entschädigungsansprüchen aus der selbstschädigenden Ausweichbewegung (vgl. Holtstrater, Kommentar zum Sozialrecht, 4. Aufl., § 2 SGB VII Rn 37–39).
RiOLG a.D. Heinz Diehl
zfs 6/2017, S. 319 - 321