Der Beschluss des XII. ZS des BGH ist eine der am besten begründeten kostenrechtlichen Entscheidungen des BGH der letzten Jahre, der praktisch keine entscheidungserhebliche Frage offenlässt. Der XII. ZS des BGH hat zu den Problemen seines Falles die hierzu ergangene Rspr. und die Literatur verwertet und ist zu einem vernünftigen Ergebnis gelangt. Insb. die Ausführungen zur Erstattungsfähigkeit der vollen Verfahrensgebühr sind vorbildlich.
Der Stand der BGH-Rechtsprechung
Demgegenüber haben weder der III. ZS (zfs 2016, 285 mit Anm. Hansens = RVGreport 2016, 186 [Hansens] = AGS 2016, 252) noch der I. ZS des BGH (RVGreport 2018,143 [ders.]) die einschlägige Vorschrift des § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO angewandt noch haben sie von der abweichenden Auffassung des BAG (RVGreport 2012, 349 [ders.] = AGS 2013, 98) Kenntnis genommen und wegen dieser Abweichung die Sache dem Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vorgelegt. Demgegenüber hatte sich bereits der VII. ZS des BGH (RVGreport 2018, 63 [ders.]) von der Auffassung des III. ZS des BGH abgewandt. Nunmehr hat der III. ZS dem XII. ZS des BGH mitgeteilt, er habe bei seiner eigenen Entscheidung im Beschluss vom 25.2.2016 a.a.O. weder auf einen rein objektiven Maßstab noch gar auf ein Verschulden der Prozesspartei abgestellt, was allerdings dem amtlichen Leitsatz seiner Entscheidung widerspricht, der da lautet:
Zitat
"1. Notwendig i.S.d. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO sind nur Kosten für solche Maßnahmen, die im Zeitpunkt ihrer Vornahme objektiv erforderlich und geeignet zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erscheinen. Das ist vom Standpunkt einer verständigen und wirtschaftlich vernünftigen Partei aus zu beurteilen, wobei grds. auf den Zeitpunkt der Vornahme der kostenverursachenden Handlung abzustellen ist und es auf die – auch unverschuldete – Unkenntnis der Partei oder ihres Rechtsanwalts von den maßgeblichen Umständen nicht ankommt."
2. Die durch die Einreichung einer Berufungserwiderung nach Berufungsrücknahme entstandenen Kosten eines Rechtsanwalts sind auch dann nicht erstattungsfähig, wenn der Berufungsbeklagte die Rechtsmittelrücknahme nicht kannte oder kennen musste.“
Wie dem auch sei, jedenfalls ist der III. ZS des BGH von seiner völlig unpraktikablen Entscheidung wieder abgerückt; sie sollte deshalb von der Praxis nicht angewandt werden. Allerdings hat der XII. ZS des BGH nicht auch beim I. ZS des BGH angefragt, ob dieser bei seiner im Beschl. v. 5.10.2017, a.a.O. geäußerten Auffassung bleibt. Hier scheint es mir ein Kommunikationsproblem zwischen den Senaten gegeben zu haben. Da jedoch der I. ZS des BGH sich lediglich die Argumente des III. ZS des BGH zu eigen gemacht hatte, ohne auf die hierzu ergangene Kritik einzugehen, sollte auch dessen Entscheidung von der Praxis nicht mehr angewandt werden.
Anfall der vollen Verfahrensgebühr
Nach Auffassung des XII. ZS ist die volle Verfahrensgebühr durch Einreichen eines Schriftsatzes bereits dann angefallen, wenn der Rechtsanwalt diesen Schriftsatz so auf den Weg gebracht hat, dass sein Eingang bei Gericht ausschließlich von der Tätigkeit Dritter, etwa eines Postbeförderungsunternehmens, abhängt. Dies hat zur Folge, dass die volle Verfahrensgebühr auch dann anfällt, wenn dieser Schriftsatz niemals bei Gericht eingeht. Materiell-rechtlich gehört es allerdings zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten, dafür Sorge zu tragen, dass ein Schriftsatz, insb. ein fristgebundener Schriftsatz, rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der ggf. bestehenden Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht (s. etwa BGH NJW-RR 2017, 1142). Aus der Sicht des XII. ZS des BGH folgt hieraus, dass der Anwalt die volle Verfahrensgebühr verdient, obwohl er je nach den Umständen des Einzelfalls seinen Verpflichtungen aus dem Anwaltsdienstvertrag gegenüber dem Mandanten nicht vollständig nachgekommen ist, wenn der Schriftsatz nicht beim zuständigen Gericht eingegangen ist.
Außerdem weicht der XII. ZS des BGH von dem Grundsatz des Gerichtskostenrechts ab, wonach die gerichtliche Verfahrensgebühr u.a. mit der Einreichung der Klageschrift fällig wird und gleichzeitig entsteht (s. § 6 Abs. 1 GKG). Dem Prozessbevollmächtigten des Kl. fällt die volle Verfahrensgebühr bereits mit Absendung der Klageschrift an. Geht diese jedoch bei Gericht nicht ein, wird auch die gerichtliche Verfahrensgebühr nicht ausgelöst.
Erstattungsfähigkeit der vollen Verfahrensgebühr
Den Ausführungen des XII. ZS des BGH ist insoweit in vollem Umfang zuzustimmen. Dabei entspricht die Auffassung des XII. ZS des BGH der seit Jahrzehnten ständigen Rspr. des BGH, wonach es für die Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten auf den "verobjektivierten" Standpunkt einer vernünftigen und kostenbewussten Partei ankommt und dabei auch die konkrete prozessuale Situation und der jeweilige Informationsstand der erstattungsberechtigten Partei zu berücksichtigen ist. Ohne Not sind in neuerer Zeit der III. und der I. ZS des BGH, a.a.O., abgewichen.
Die Auffassung des XII. ZS des BGH, die volle Verfah...