[3] “… II. 1. Das OLG hat seine Entscheidung damit begründet, dass im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren keine der Rechtskraftwirkung des Urt. widersprechende Entscheidung ergehen dürfe. Das rechtskräftig gewordene Urt. des AG stelle verbindlich fest, dass die Klage begründet gewesen sei.

[4] 2. Das hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.

[5] a) Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch sonst zulässig. Das Verfahren richtet sich nach dem in der Hauptsache anwendbaren Verfahrensrecht.

[6] Der rechtskräftige Abschluss des Hauptsacheverfahrens steht der Statthaftigkeit des Rechtsmittels gegen die Prozesskostenhilfe-/Verfahrenskostenhilfeversagung wegen verneinter Erfolgsaussicht nicht im Wege, weil auch in der Hauptsache ein Rechtsmittel statthaft gewesen wäre (vgl. Senatsbeschl. BGHZ 162, 230 = FamRZ 2005, 790 und FamRZ 2011, 1138 jeweils m.w.N.).

[7] In der vorliegenden Familienstreitsache finden demnach auf die Verfahrenskostenhilfe (im Folgenden einheitlich: Prozesskostenhilfe) gem. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG die Vorschriften der §§ 114 ff. ZPO entsprechende Anwendung.

[9] c) Die Frage, ob nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens der in der Hauptsache unterlegenen Partei noch nachträglich Prozesskostenhilfe zu bewilligen oder diese aufgrund der Bindung an die rechtskräftige Hauptsacheentscheidung stets mangels Erfolgsaussicht zu versagen ist, ist umstritten (für eine grds. Bindungswirkung der Hauptsacheentscheidung: BFHE 141, 494 = DStR 1985, 50; OLG Düsseldorf JurBüro 1994, 176 = OLGR 1993, 281 und MDR 2009, 1356; MüKoZPO/Motzer, 3. Aufl., § 127 Rn 17; gegen eine Bindungswirkung jedenfalls bei verzögerter Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch: OLG Karlsruhe FamRZ 2000, 1588 und FamRZ 1995, 1163; Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl. § 119 Rn 47 – anders hingegen a.a.O. § 127 Rn 50; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl. § 114 Rn 41 m.w.N.). Im vorliegenden Fall ist das OLG zu Recht von einer Bindungswirkung der Hauptsacheentscheidung ausgegangen.

[10] aa) Es ist allgemein anerkannt, dass Prozesskostenhilfe nach Abschluss des Verfahrens noch rückwirkend bewilligt werden kann, wenn der Bewilligungsantrag mit den erforderlichen Unterlagen während des Verfahrens gestellt, aber nicht verbeschieden worden ist (Senatsbeschl. FamRZ 2010, 197 Rn 20 f. und FamRZ 1982, 58). Das betrifft vor allem den Fall, dass das Gericht über das Prozesskostenhilfegesuch nicht unverzüglich entscheidet, sondern die Entscheidungsreife in der Hauptsache abwartet.

[11] Bei der Entscheidung des Beschwerdegerichts ist indessen im Hinblick auf die Erfolgsaussicht die – zwischenzeitlich eingetretene – Rechtskraft der in der Hauptsache ergangenen Entscheidung grundsätzlich zu beachten. Zwar wirkt die Rechtskraft nach § 322 Abs. 1 ZPO nur zwischen den Parteien des Rechtsstreits und nur insoweit, als über denselben Streitgegenstand entschieden worden ist. Gegenstand des Prozesskostenhilfe-/Verfahrenskostenhilfeverfahrens ist demgegenüber das von der Hauptsache unabhängige Verhältnis zwischen dem rechtsuchenden ASt. und der Staatskasse, welches den Anspruch auf Prozesskostenhilfe als staatliche Sozialleistung betrifft. Die Rechtskraft bezweckt aber nicht nur den Schutz der Parteien vor erneuter gerichtlicher Inanspruchnahme, sondern dient der Sicherung des Rechtsfriedens im Allgemeinen, indem abweichende Entscheidungen zur selben Streitfrage vermieden werden sollen, und auch der Funktionsfähigkeit der Gerichte (vgl. MüKoZPO/Gottwald, 3. Aufl., § 322 Rn 2 ff. m.w.N.). Aus der materiellen Rechtskraft folgt daher über das Verbot der wiederholten Entscheidung über denselben Streitgegenstand hinaus auch eine Bindungswirkung der Entscheidung, soweit diese für eine weitere Entscheidung vorgreiflich ist (vgl. Senatsurt. FamRZ 1985, 580; MüKoZPO/Gottwald, 3. Aufl., § 322 Rn 11 m.w.N.).

[12] Die Entscheidung in der Hauptsache hat demnach Bindungswirkung, soweit es für den Anspruch auf Prozesskostenhilfe auf die Erfolgsaussicht der Klage oder Rechtsverteidigung ankommt. Insoweit stimmen die zu beurteilenden Fragen überein und ist die Hauptsacheentscheidung für die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe vorgreiflich. Durch die Bindungswirkung der Hauptsacheentscheidung wird vermieden, dass das Rechtsmittelgericht in einem Nebenverfahren zu einem der rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung widersprechenden Ergebnis gelangt.

[13] bb) Allerdings kann im Ausnahmefall eine nachträgliche Bewilligung der Prozesskostenhilfe durch das Rechtsmittelgericht auch aufgrund einer abweichenden Beurteilung der Erfolgsaussicht geboten sein.

[14] (1) So kommt eine nachträgliche Bewilligung ausnahmsweise in Betracht, wenn in der Hauptsache eine zweifelhafte Rechtsfrage zu klären war. In diesem Fall darf nach st. Rspr. des BVerfG wie des BGH die Klärung der Frage nicht in das Prozesskostenhilfeverfahren verlagert werden. Die in Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verbürgte Rechtsschutzgleichheit gebietet im Fall zweifelhafter Rechtsfragen, d...

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