§ 823 BGB oder § 7 StVG setzen voraus, dass durch eine Handlung des Schädigers das Rechtsgut "Gesundheit" verletzt wird. Die Gesundheit ist verletzt, wenn der Schädiger jeden von normalen körperlichen Funktionen nachteilig abweichenden Zustand hervorgerufen oder gesteigert hat. Auch die Störung der "inneren Lebensvorgänge" und des "seelischen Wohlbefindens" gehört dazu.
Der Mensch hat in der Regel schon in seiner Kindheit gelernt, dass jeder Schlag oder jede andere Einwirkung auf seinen Körper, also auch die kollisionsbedingte Beschleunigung des Körpers durch einen Auffahrunfall, möglicherweise Gefahren für ihn bedeuten können. Physiologisch reagiert daher grundsätzlich jeder Mensch zunächst auf eine potenziell erkannte Bedrohung mit der Emotion Angst. Diese Angst äußert sich unter anderem durch einen Anstieg der Puls- und Atemtätigkeit, aber auch durch Schweißausbruch, Übelkeit oder Zittern.
Während nun diese Angstreaktion relativ schnell wieder abklingen kann, da nach dem Unfallereignis eine akute Bedrohung wegfällt, setzt in der Regel eine länger anhaltende Stressreaktion ein, die aus zwei Elementen besteht:
Der Pkw-Insasse als medizinischer und technischer Laie kann ex-ante nicht beurteilen, ob die nun tatsächlich aufgetretene Belastung auf seinen Körper medizinisch oder physikalisch eine ernste Verletzung bedingt hat.
Subjektiv erhöht sich durch die Angstreaktion die Wahrnehmung, so dass auch nur durch kleine Kollisionen hervorgerufene Schmerzen – zum Beispiel der Aufprall des Kopfes auf die Kopfstütze oder eine Hin- und Herbewegung des Kopfes – verstärkt wahrgenommen werden. Und genau diese Verknüpfung von verstärkter Wahrnehmung des eigenen Schmerzes und der Unsicherheit bei der Beurteilung führt zu einem länger andauernden Stresszustand, der von der normalen alltäglichen Angst abweicht. Sein vorläufiges Ende findet diese Stressreaktion erst durch eine medizinische ambulante oder stationäre Abklärung.
Neben den oben beschriebenen körperlichen Erscheinungen ist mit dem Unfall ein organisatorischer und zeitlicher Aufwand verbunden, der zur alltäglichen Belastung hinzukommt. Das eigene und notwendige Fahrzeug steht nicht zur Verfügung. Kontakt mit der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners muss aufgenommen werden. Die Organisation der Reparatur oder eines Ersatzwagens steht an. Diese exemplarische Aufzählung ließe sich beliebig erweitern und ist dem Geschädigten in der Regel sofort nach dem Unfall bewusst. Die Einschränkung der Flexibilität und Mobilität durch einen Verlust oder vorübergehende Nichtnutzbarkeit des Autos führt zwangsläufig zu Stress, da der Alltag schlagartig anders organisiert werden muss. Viele Fahrten mit dem Pkw dienen zudem dazu, Termine zu erreichen oder Einkäufe zu tätigen. Durch das Unfallereignis sind diese Vorhaben plötzlich unterbrochen, was zu zusätzlichen Belastungen führt.
Die ganz h.M. in der Literatur und Rechtsprechung jedenfalls sieht eine Rechtsgutverletzung gem. § 823 BGB auch dann als gegeben an, wenn eine Störung des psychischen Wohlbefindens vorliegt. Es dürften demnach schwerlich Gegenargumente zu finden sein, die oben nach einem Verkehrsunfall beschriebene Stressreaktion des Geschädigten nicht als Körperverletzung zu werten. Die Reaktion weicht wegen des länger andauernden Zustands vom normalen körperlichen Empfinden ab und weist Symptome auf, die zum Beispiel bei einer sog. agitierten Depression zu finden sind.