[7] “Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des BG, gegen die die Revision nichts Erhebliches vorbringt, hat die Kl. die von ihr im Mahnantrag gem. § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO geforderte Erklärung, dass der Anspruch nicht von einer Gegenleistung abhänge oder die Gegenleistung erbracht sei, bewusst falsch abgegeben. Das BG hat deshalb zu Recht angenommen, dass die Kl. wegen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) gehindert ist, sich auf die durch Einreichung des Mahnantrags vor Ablauf der Verjährungsfrist (§ 195, § 199 Abs. 1 BGB) gem. § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB, § 167 ZPO eingetretene Hemmung der von der Bekl. geltend gemachten Verjährung des erhobenen Kaufpreisanspruchs (§ 433 Abs. 2, § 214 Abs. 1 BGB) zu berufen.
[8] 1. Allerdings kommt es nach der Rspr. des BGH für den Eintritt der Hemmungswirkung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB nicht auf die Zulässigkeit, sondern allein auf die Wirksamkeit des auf den Mahnantrag erlassenen und zugestellten Mahnbescheides an, so dass bei hinreichender Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs dessen Verjährung auch dann gehemmt wird, wenn der Mahnantrag an Mängeln leidet oder sogar unzulässig ist oder wenn für die darin erhobene Forderung – von der Sachbefugnis abgesehen – noch nicht sämtliche Anspruchsvoraussetzungen vorliegen (BGHZ 86, 314, 322 ff.; = NJW 1983, 1050; BGHZ 104, 268, 273 = NJW 1988, 1964; NJW 1996, 2152 unter 2 b aa; BGHZ 172, 42 = NJW 2007, 1962 Rn 43; ähnlich zur verjährungshemmenden Wirkung der Zustellung eines Antrags im selbstständigen Beweisverfahren BGH NJW 1998, 1305 unter II 1). Davon geht auch das BG aus.
[9] 2. Dies schließt es jedoch – wie das BG rechtsfehlerfrei annimmt – nicht aus, dass sich bei Erschleichen eines Mahnbescheides durch bewusst falsche Angaben, die seinem Erlass entgegengestanden hätten, das Berufen auf eine derart verjährungshemmende Wirkung im Einzelfall als rechtsmissbräuchlich darstellen kann.
[10] a) Von dieser grds. bestehenden Möglichkeit ist bereits der Gesetzgeber bei Schaffung des § 204 BGB ausgegangen. Denn er hat sich in der Gesetzesbegründung zu dem Hinweis veranlasst gesehen, dass die zur Verhinderung der missbräuchlichen Erlangung einer Verjährungshemmung getroffenen Regelungen nicht als abschließend zu verstehen seien, und seiner Erwartung Ausdruck gegeben, dass die Gerichte rechtsmissbräuchlichen Rechtsverfolgungsmaßnahmen keine Hemmungswirkung zubilligen würden (BT-Drucks 14/6857, S. 44). Dementsprechend geht auch die Rspr. des BGH dahin, dass Fallgestaltungen, in denen ein Gläubiger im Einzelfall mit Hilfe unzulässiger oder unbegründeter Anträge in missbräuchlicher Weise versuchen sollte, die Hemmung der Verjährung herbeizuführen, durch Anwendung von § 242 BGB begegnet werden kann (BGHZ 160, 259, 264 ff. = NJW 2004, 3772 m.w.N.; BGHZ 123, 337, 345 = NJW-RR 1993, 1495).
[11] b) Soweit in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum neben der Frage, ob ein aufgrund objektiv falscher Angaben des ASt. erlassener Mahnbescheid zur Herbeiführung einer Verjährungshemmung geeignet ist (vgl. OLG Koblenz NJOZ 2005, 1997, 1999; Musielak/Voit, ZPO, 8. Aufl., § 693 Rn 4; Schüler, in: MüKo-ZPO, 3. Aufl., § 688 Rn 12), auch die Frage erörtert wird, wie es sich etwa bei einer vorsätzlich falschen Erklärung des ASt. zu den von § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO geforderten Umständen verhält, wird die Auffassung vertreten, dass eine Berufung des ASt. auf die verjährungshemmende Wirkung eines zugestellten Mahnbescheids rechtsmissbräuchlich sei. Denn bei wahrheitsgemäßen Angaben im Mahnantrag hätte das Mahngericht den Antrag gem. § 691 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO als unzulässig zurückweisen müssen, so dass dem Antragsteller lediglich die Möglichkeit der verjährungshemmenden Klageerhebung geblieben wäre. Beschreite ein Kl. in einem derartigen Fall gleichwohl den Weg des Mahnverfahrens in der nahe liegenden Absicht, die Klage nicht sofort begründen zu müssen, nutzte er treuwidrig eine formale Rechtsposition aus, wenn er sich auf die verjährungshemmende Wirkung des zugestellten Mahnbescheids berufe (OLG München, Urt. v. 4.12.2007 – 5 U 3479/07, BeckRS 2010, 00584; ähnlich Wagner, ZfIR 2005, 856, 858 f.; vgl. ferner OLG Oldenburg NJOZ 2010, 1625 = FamRZ 2010, 1098 für den unter Verschleierung der Vermögensverhältnisse bewusst falschen Prozesskostenhilfeantrag).
[12] c) Das BG hat sich dem unter Zugrundelegung der rechtsfehlerfreien Feststellung angeschlossen, die Kl. habe bewusst wahrheitswidrig erklärt, dass die Gegenleistung bereits erbracht sei, um sich dadurch schnell einen Titel zu verschaffen, ohne die Klage sofort begründen zu müssen. Die getroffene Wertung, die Kl. nutze ihre durch diese Täuschungshandlung erschlichene formale Rechtsposition treuwidrig aus, wenn sie sich auf die verjährungshemmende Wirkung des zugestellten Mahnbescheids berufe, lässt Rechtsfehler nicht erkennen.“