BGB § 249; ZPO § 287
Leitsatz
1. Abschleppkosten, die infolge eines Verkehrsunfalls entstanden sind, sind ersatzfähige Schadenspositionen gem. § 249 BGB.
2. Wird zwischen dem Geschädigten und dem Abschleppunternehmen keine Vergütungsvereinbarung getroffen, ist der Geschädigte lediglich zur Zahlung des angemessenen und ortsüblichen Lohns verpflichtet.
3. Dessen Höhe kann gem. § 287 ZPO unter Heranziehung der Preis- und Strukturumfrage des Verbands der Bergungs- und Abschleppunternehmen von 2012 geschätzt werden.
(Leitsätze der Schriftleitung)
AG Wilhelmshaven, Urt. v. 4.12.2013 – 6 C 508/13
1 Aus den Gründen:
"Die Klage ist zulässig, aber unbegründet."
Der Kl. steht kein Anspruch auf Zahlung eines Schadensersatzes aus §§ 7, 17 StVG i.V.m. § 249 BGB gegen die Bekl. zu.
Abschleppkosten, die infolge eines Verkehrsunfalls entstanden sind, können grds. als ersatzfähige Schadenspositionen nach Maßgabe des § 249 BGB geltend gemacht werden. Die Bekl. zu 2) hat mit der vorgerichtlichen Zahlung von 360,75 EUR den Schaden jedoch vollständig reguliert. Ein weiterer Anspruch auf Zahlung des sich aus dem Verhältnis zur Rechnung der Nebenintervenientin vom 25.7.2012 ergebenden Differenzbetrages von 404,73 EUR, der mit der Klage begehrt wird, besteht nicht.
Ein Ersatzanspruch kann lediglich in der Höhe bestehen, in der die Kl. selbst der Nebenintervenientin gegenüber zur Entlohnung verpflichtet ist. Eine Vergütungsvereinbarung wurde zwischen der Kl. und der Nebenintervenientin nicht getroffen. In diesen Fällen ist der Geschädigte lediglich zur Zahlung des angemessenen und ortsüblichen Lohns verpflichtet, den das Gericht nach § 287 ZPO ermitteln kann. Üblich ist diejenige Vergütung, die für Leistungen gleicher Art und Güte sowie gleichen Umfangs nach allgemein anerkannter Auffassung gezahlt werden muss. Die Anerkennung der Üblichkeit setzt gleiche Verhältnisse in zahlreichen Einzelfällen voraus, wobei sich die übliche Vergütung regelmäßig innerhalb einer bestimmten Bandbreite bewegen wird, die Ausreißer nicht berücksichtigt (vgl. BGH Urt. v. 4.4.2006 – X ZR 122/05). Zur Ermittlung der üblichen Vergütung gem. § 287 ZPO zieht das Gericht die “Preis- und Strukturumfrage im Bergungs- und Abschleppgewerbe des Verbands der Bergungs- und Abschleppunternehmen E.V. von 2012’ (im Folgenden “VBA 2012’; Anlage B1) heran, die eine taugliche Schätzungsgrundlage bietet (vgl. u.a. AG Neuss, Urt. v. 12.9.2012 – 85 C 3163/12).
Die Kl. hat nicht dargelegt, dass Kosten entstanden sind, die die von der Bekl. zu 2) regulierte Schadenssumme übersteigen. Die Bekl. hingegen hat nachvollziehbar vorgetragen, dass tatsächlich nur Kosten von 360,75 EUR entstanden sind. So ergibt sich aus der “VBA 2012’ etwa, dass ein Pauschalbetrag nur i.H.v. 128 EUR pro Stunde bei einer Fahrzeugbeförderung mittels Lkw bis 7,49 t verlangt werden kann und dass die Kosten für das Personal der Einsatzfahrzeuge sowie die Hakenlastversicherung bereits inbegriffen sind. Die Rechnung der Nebenintervenientin weist jedoch als Pauschalbetrag einen Betrag von 180 EUR aus zzgl. Personalkosten, von 60 EUR. Die Kl. hat nicht dargelegt, dass die Beförderung mittels eines Abschleppwagens von einem höheren Gewicht erfolgt ist, für das nach “VBA 2012’ erhöhte Kosten verlangt werden könnten. Sie hat auch nicht zu Umfang und Dauer der Arbeiten vorgetragen. Ebenfalls von dem Grundbetrag erfasst sind nach den Erläuterungen zur “VBA 2012’ (Anlage 83) die Vermittlungsgebühr und die Fahrbahnreinigung. Bzgl. der Positionen “Ölbindemittel’ und “Entsorgung Ölbindemittel’ ist insgesamt lediglich ein Betrag von 5 EUR angemessen.
Die Kl. ist dem erheblichen Vortrag der Bekl., die schlüssig und nachvollziehbar unter Zugrundelegung der “VBA 2012’ als taugliche Schätzungsgrundlage ausgeführt hat, dass lediglich Kosten i.H.v. 369,75 EUR angefallen sind und damit die Rechnung der Streitverkündeten deutlich überhöht ist, nicht binnen der mit gerichtlicher Verfügung vom 4.11.2013 gesetzten Frist entgegengetreten. Der Schriftsatz der Streitverkündeten vom 19.11.2013 ersetzt nicht den notwendigen Vortrag der unterstützten Hauptpartei. So darf zwar Vorbringen einer Partei, obwohl es verspätet ist, nicht zurückgewiesen werden, wenn der Nebenintervenient innerhalb der gesetzten Frist die erforderlichen Tatsachen vorgebracht hat (vgl. Musielak, Kommentar ZPO, 10. Aufl. 2013, § 67). Dies setzt aber voraus, dass zumindest Vortrag der Hauptpartei vorliegt, was hier nicht der Fall war, sodass das Vorbringen der Nebenintervenientin im vorliegenden Prozess keine Berücksichtigung finden darf.
Ein weitergehender Anspruch der Kl. in Höhe der Klageforderung besteht folglich nicht, so dass die Klage abzuweisen war.“
Mitgeteilt von RA Dr. Michael Nugel, Essen
Anmerkung
Hinweis: Zur Bestimmung der zu ersetzenden Abschleppkosten nach einem Verkehrsunfall siehe den Aufsatz von Nugel in diesem Heft, S. 370.
zfs 7/2014, S. 383 - 384